Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bürger sorgen sich um Entwicklung der Weststadt
Neue Ravensburger Agendagruppe hat heute ihr Gründungstreffen
RAVENSBURG - Für die Ravensburger Weststadt könnte es bald einen eigenen Arbeitskreis geben. Denn Bürger des Stadtviertels wollen eine Agendagruppe gründen und dringliche Probleme vor ihrer Haustür – wie Verkehr, Bebauung oder Sauberkeit – angehen. Die Gründungsversammlung ist heute Abend.
„Die Galgenhalde ist das Stiefkind von Ravensburg“, sagt Franz Ruile. Seiner Meinung nach werden andere Quartiere von der Stadtverwaltung bevorzugt: die Federburgstraße, der Andermannsberg oder das Sennerbad zum Beispiel. Die Weststadt aber werde vernachlässigt. Die Zustände seien mitunter desaströs. „,Asozial‘ ist noch gelinde ausgedrückt“, so Ruile.
Er selbst ist in der Weststadt aufgewachsen, war beruflich viel in Deutschland unterwegs. Vor Kurzem ist er zurückgekehrt. Nun will er etwas für „seinen“Stadtteil tun. Sein Ziel: „Mit der Weststadt ein Vorzeigequartier für Ravensburg schaffen.“
Der Plan ist, eine Agendagruppe zu gründen. Die Stadt habe dafür schon grünes Licht signalisiert, sagt Ruile. Weil die Weststadt allerdings groß und vielschichtig ist, soll es innerhalb der Agenda fünf Zuständigkeitsbereiche geben: Galgenhalde, Mittelösch 1, Mittelösch 2, Hochberg und Domäne Hochberg. Jeder Bereich soll zwei Sprecher bekommen. Ruile wird einer der beiden Sprecher für Mittelösch 1.
Vor allem die Neubauprojekte des Bau- und Sparvereins in der Galgenhalde sind ein Grund für die Bürgerinitiative (siehe Kasten). Zwischen Meersburger Straße und Absenreuterweg sollen – wie berichtet – 170 neue Wohnungen entstehen. „Und das ohne eine verkehrstechnische Lösung“, echauffiert sich Ruile. Er erklärt, dass es schon jetzt zu viel Verkehr an der Stelle gebe und zu wenig Parkplätze. Seine Befürchtung ist, dass sich die Situation weiter verschlimmert. Genauso sieht es Patrick Kalfier, der zukünftige Sprecher des Bereichs Galgenhalde. „Erst plant man das Wohnprojekt, und danach folgt die Planung des Verkehrs“, beschwert sich Kalfier über das Vorgehen. „Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt.“
Hinzu kommt, dass sich die Bürger von der Stadt nicht genügend informiert fühlen. Der Informationsfluss sei gestört, meinen die beiden Bereichssprecher der zukünftigen Agenda. „Widersprüchliche und teilweise unkorrekte Aussagen zu vielen Aspekten irritieren und verunsichern“, heißt es in der Einladung zur Gründungsversammlung. Ruile dazu: „Die Fronten sind verhärtet.“
Friedhof, Markt und Klima
Was dem Weststadt-Bewohner außerdem Kopfzerbrechen bereitet, ist die Erweiterung des Sprachheilzentrums. 60 Busse fahren laut seiner Zählung dort jeden Tag an – morgens wie abends. „Das bedeutet Feinstaub, Lärm und Gesundheitsbelastung für die Anwohner“, sagt Ruile. Laut ihm würden die Kinder teils aus dem weiteren Umland kommen. „Jedes Kind, das eine Zahnlücke hat, gilt gleich als sprachbehindert“, beschreibt er in seinen Worten die Expansionspolitik des Sprachheilzentrums.
Franz Ruile und Patrick Kalfier haben eine ganze Liste an Themen, die sie stören. Dazu gehören: die Pflege und Reinigung der Straßen, die eventuelle Entfernung des traditionellen Spielplatzes im Zuge der Neubaumaßnahmen, das Klima und die Belüftung des Stadtteils, die Verwahrlosung des Rahlenwaldes, die Sicherheitsüberwachung, die im Raum stehende Einstellung des Wochenmarktes und die zum Erliegen gekommene Friedhofserweiterung. „Es ist eine Mammutaufgabe“, sagt Ruile über das, was der Agenda bevorsteht. Jedoch gehe es dem neuen Arbeitskreis nicht nur um Protest. „Die Bürger der Weststadt wollen involviert und mitgenommen werden“, so Franz Ruile. „Sie wollen mitgestalten.“Andernfalls sieht er schwarz für den Stadtteil.
„Wenn man die Weststadt schleifen lässt, könnte sie zur Banlieue von Ravensburg werden“, prophezeit Ruile und spielt dabei auf die heruntergekommenen und gefährlichen Vorstädte französischer Großstädte an. Diese Entwicklung birgt seiner Meinung nach Zündstoff.