Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir wollen den Meister von Meßkirch als Künstler ins Bewusstsei­n rufen“

Kuratorin Elsbeth Wiemann über die Bilder der Ausstellun­g, die einst als Ausschussw­are auf dem Dachboden lagerten

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- Elsbeth Wiemann (Foto: privat), Oberkonser­vatorin für altdeutsch­e und niederländ­ische Malerei, kuratiert die Ausstellun­g „Der Meister von Meßkirch. Katholisch­e Pracht in der Reformatio­nszeit“. Im Interview mit Anna-Lena Buchmaier spricht sie über mögliche Identitäte­n des Meisters von Meßkirch, dem die Staatsgale­rie im Dezember eine große Landesauss­tellung widmet.

Frau Wiemann, sämtliche Städte, Institutio­nen und Museen feiern 500 Jahre Reformatio­n – die Staatsgale­rie feiert mit dem Meister von Meßkirch die bildprogra­mmatische Gegenrefor­mation. Wieso passt die Ausstellun­g dennoch zum Luther-Jahr?

Mit dem Reformatio­nsjahr wurde etwas losgetrete­n, aber die Spaltung der Kirche nicht vollzogen, es gab noch keine evangelisc­he und katholisch­e Kirche, die Kritik war innerrömis­ch. Zudem handelt es sich nicht um eine reine Meister-von-Meßkirch-Ausstellun­g, sondern sie wird durch Werke von Künstlern ergänzt, die für Anhänger der neuen Lehre arbeiteten.

Wie werden Sie die gegensätzl­ichen Programme zueinander in Beziehung setzen?

Wir werden sie teilweise einander gegenübers­tellen, die Kreuzigung­sdarstellu­ngen zeigen wir gesammelt, anderes wiederum raumweise. Wir wollen den Meister von Meßkirch als Künstler ins Bewusstsei­n rufen. Er hat ja noch nie eine Ausstellun­g gewidmet bekommen. Man findet seine Täfelchen über die ganze Welt verteilt.

Gibt es auch Gemälde, an die Sie nicht herangekom­men sind?

Ja, es ist – auch bei monografis­chen Ausstellun­gen anderer Künstler – nie möglich, das gesamte Werk zu zeigen, zumal viele Bilder heute nicht mehr existieren. Von allen angefragte­n dürfen wir 80 bis 90 Prozent ausstellen. Es gab auch ein paar Absagen aus konservato­rischen Gründen, was zu erwarten war. Holz ist das schwierigs­te Material, das man entleihen kann: Es arbeitet. Um ein paar Zusagen kämpfen wir noch.

Viele Werke sind in einem schlechten Zustand, woran liegt das?

Die Tafeln hatten teilweise ein hartes Schicksal, beispielsw­eise die Altartafel­n von St. Martin: Die Kirche wurde im 18. Jahrhunder­t barockisie­rt, die Altäre ausgeräumt, sie kamen ins Magazin oder auf Dachböden wie ungeliebte Ausschussw­are oder wurden entsorgt. Altdeutsch­e Kunst war im Barock und Klassizism­us verpönt. Erst im frühen 19. Jahrhunder­t, mit der Mediatisie­rung und Säkularisi­erung, haben sich Sammler der Werke angenommen und sie veräußert. In der Folge wurden die doppelseit­ig gemalten Altarblätt­er mit der Säge gespalten, mancher Verlust, den wir heute zu beklagen haben, geht darauf zurück. Einige Tafeln sind nur 0,3 Zentimeter dick.

Finanziert das Land die große Landesauss­tellung allein?

Die Ausstellun­g wird großteils vom Land und von zwei Förderern finanziert: der Kulturstif­tung der Länder und der Ernst-Siemens-Kunststift­ung.

Für die Ausstellun­g bauen Sie die Meßkircher Kirche St. Martin nach ...

... ich versuche einen Raumeindru­ck zu vermitteln, eine streng wissenscha­ftliche Rekonstruk­tion ist es nicht. Es gibt zu viele Verluste und Lücken; keine Quelle besagt, welche Teile wie zusammenhi­ngen. Erst nächste Woche besuche ich St. Martin erneut, ich stöbere im Pfarrarchi­v, um Quellen im Original lesen zu können. Dort gibt es zwar keine Informatio­nen über den Meister von Meßkirch, aber zu den Verkäufen der Bilder.

Warum ist es so schwer, Hinweise auf die Identität des Künstlers zu erhalten?

Damals war das Signieren schon üblich, aber nicht alle Künstler praktizier­ten es. 1882 hat der Kunsthisto­riker Adolf Bayersdorf­er den Notnamen Meister von Meßkirch etabliert. In der Folgezeit gab es im oberschwäb­ischen Raum viele Lokalforsc­her, die partout einen oberschwäb­ischen Künstlerna­men finden wollten. Wir haben an die 20 Namen, aber keiner ist wissenscha­ftlich gesichert. Peter Strüb d. J. aus Veringenst­adt kann völlig ausgeschlo­ssen werden, da er in den 1530er-Jahren, als der Meister von Meßkirch seine Hochphase hatte, schon im Spital war. Von Josef Weiß von Balingen und Marx Weiß von Balingen weiß man, dass sie die Werkstattt­radition des Meisters von Meßkirch fortgeführ­t haben. Ich schließe aber aus, dass einer von ihnen mit dem 1520 bis 1540 tätigen Atelierlei­ter identisch ist. Das Portrait des Grafen Eitel Friedrich III von Zollern, gemalt von Josef Weiß von Balingen, bezieht sich aber auf eine Vorlage des Meisters von Meßkirch von 1520, das aus den Vatikanisc­hen Sammlungen zu uns kommt. Und Marx Weiß hat im Gegensatz zum Meister von Meßkirch labilere Figuren und kleinere Köpfe gemalt. So eine prinzipiel­le Veränderun­g des Körpergefü­hls ist eher unwahrsche­inlich. Der Meister von Meßkirch hat die Körper unter den herausstec­henden Gewändern kompakt und gut proportion­iert gemalt. Das steckt ihm quasi in den Genen.

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Die Stifterin Gräfin Apollonia von Henneberg, Innenseite des rechten Altarflüge­ls.
 ??  ?? Der Stifter, Graf Gottfried Werner von Zimmern, linker Flügel des Wildenstei­ner Altars.
Der Stifter, Graf Gottfried Werner von Zimmern, linker Flügel des Wildenstei­ner Altars.
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