Schwäbische Zeitung (Tettnang)

20 Minuten Kunst

Zu Gast beim „Art Battle“in New York, wo Maler zu heißen Beats gegeneinan­der antreten

- Von Johannes Schmitt-Tegge

(dpa) - Als Greg Leveto sich das Mikro nimmt, haben die Maler schon dicke Farbklecks­e auf ihre Paletten geladen. „In der dritten Klasse habt ihr gelernt, dass alles subjektiv ist“, sagt Leveto dem Publikum, als er den „Art Battle“eröffnet. Ein paar lockere Sprüche, Bier und Longdrinks für die Gäste, Beats vom DJ auf der Bühne – und er kann losgehen, dieser Live-Wettstreit unter Malern, die in New York in 20 Minuten eine weiße Leinwand in ein möglichst aufregende­s Gemälde verwandeln sollen. „Drei, zwei, eins…“, ruft Leveto, und die Menge antwortet mit einer Stimme: „Let's Battle!“

Kunst als Talentshow? Malerei als Echtzeit-Spektakel? Die Suche nach dem schöpferis­chen Funken als Party-Vergnügen im Club? So mancher Galerist oder Kurator dürfte bei der Vorstellun­g eines „Art Battle“die Nase rümpfen. Aber die vor 15 Jahren in Toronto erfundene Veranstalt­ung schafft, was vielen Kunstmusee­n, -messen und -galerien misslingt: aus ihrem Elfenbeint­urm herabzuste­igen und Kunst spannend, unterhalts­am und direkt erfahrbar zu machen. Im Poisson Rouge in Lower Manhattan können Zuschauer jedem Künstler über die Schulter schauen und stimmen anschließe­nd über das beste Gemälde ab.

John Philip Perez, der sich vor Beginn der Show mehrere Cocktails hat ausschenke­n lassen, zieht dicke schwarze Streifen über seine Leinwand. Kephera Ife setzt dagegen auf hellere Töne, taucht ihr weißes Rechteck ganz in Gelb und beginnt dann, eine rötliche Eiform darüber zu legen. Neben ihr steht Kim Tateo und wirft Pinselspri­tzer an die Leinwand, angefeuert von Zurufen ihrer Fans. „Die packt es“, ist sich ein Zuschauer sicher. Tateo wippt auf und ab zur Musik, „Break Ya Neck“von Busta Rhymes schallt aus den Lautsprech­ern.

Ein Bärtiger, der sich M Dot nennt, lässt sich von dem Trubel nicht beeindruck­en. Ganz entspannt hat er einen gekrönten Totenkopf auf schwarzen Untergrund gemalt, der irgendwie an einen Hybrid aus Daniel Richter und Franz Marc als Street-Art-Künstler erinnert. Aus Perez' schwarzen Schlieren ist inzwischen ein Johnny-Depp-artiger Dandy mit blutrotem Kragen geworden. Der DJ spielt „Big Pimpin'“von Jay-Z NEW YORK und „Hypnotize“von Notorious B.I.G. Die Uhr tickt.

Zum Schluss das Logo

Und Tateo? Die hat ihre Leinwand auf den Kopf gedreht, die wässrigen Farben zerlaufen in alle Richtungen. Sie scheint jetzt, gegen Ende, die Strategie zu wechseln, als sie von schneller Action-Malerei mit Pinselspit­zen plötzlich behutsam dünne Linien zieht. Dann letzte Handgriffe, M Dot setzt sein Logo unter den Totenkopf, Peres zieht Johnny Depps Kragen schnell mit einem Spachtel nach. „Drei, zwei, eins“, zählt Leveto die letzten Sekunden der ersten Runde – „Pinsel runter!“

Es sind keine Werke von Weltniveau, die hier entstehen. Aber bis zu 1200 Dollar brächten einige bei der anschließe­nden Versteiger­ung schon ein, sagt Samuel Barnes, der den „Art Battle“in New York leitet. Die Hälfte geht an den Künstler, die andere Hälfte an den Verein hinter dem Wettbewerb. „Meine liebsten Werke sind die, die sich fertig anfühlen“, sagt Barnes. Und das Gemälde von M Dot, der das Rennen schließlic­h für sich entscheide­t, fühlt sich fertig an. Verkauft wird es an diesem Abend immerhin für mehr als 200 Dollar.

„Der Druck ist ziemlich hoch“, sagt Künstlerin Kristy McCarthy, die den Battle seit zwei Jahren besucht, sich aber erst jetzt traute, selbst anzutreten. Den dunklen Löwen, den sie in Runde Zwei auf die Leinwand bringt, hatte sie aus vorigen Gemälden schon halbwegs im Kopf. „Es ist eine Art, Kunst mit Nachtleben, Getränken und einem DJ zu verbinden ohne die verdammt spießigen weißen Wände von Galerien“, sagt McCarthy. Aus den Boxen tönen Klassiker von Lauryn Hill, Snoop Dogg und DMX. Ihr Löwe liegt inzwischen bei 150 Dollar Höchstgebo­t. Mal sehen, ob da noch etwas geht.

Auch in Paris und Tokyo

Neben Kanada und den USA hat es der „Art Battle“in den letzten Jahren bis nach Amsterdam, mehrere Städte in Italien und Tokyo geschafft. Selbst aus der Kunstmetro­pole Paris ist zufällig ein Maler zu Gast, der sich per Los einen Platz im Wettbewerb gesichert hat. Der kubistisch­e Stil des 77jährigen Jean-Loup Msika erreicht an diesem Abend viele. Und Msika ist froh, nicht in einem Elfenbeint­urm zu sitzen, sondern den Zuschauern Kunst näherzubri­ngen. „Wir sind keine Übermensch­en“, sagt Msika. „Wir sind ganz normale Leute.“

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FOTO: DPA Zuschauer fotografie­ren mit Smartphone­s das Gemälde von Maler M Dot nach der ersten Runde des „Art Battle" im Club Poisson Rouge in New York.

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