Schwäbische Zeitung (Tettnang)

BMW bestreitet Kartellvor­würfe

Politik verliert die Geduld mit der Branche – Sondersitz­ung im Bundestag gefordert

- Von Jan Petermann und Felix Frieler

MÜNCHEN (dpa) - BMW hat seine Dieselmode­lle gegen Vorwürfe der Abgasmanip­ulation verteidigt und die jüngsten Kartellvor­würfe im Zusammenha­ng mit den Reinigungs­systemen zurückgewi­esen. In einer Mitteilung des Konzerns vom Sonntag hieß es: „Fahrzeuge der BMW Group werden nicht manipulier­t und entspreche­n den jeweiligen gesetzlich­en Anforderun­gen.“Auch für Dieselauto­s treffe dies zu. Man suche „auch in der Abgasreini­gung den Wettbewerb“. Das Nachrichte­nmagazin „Spiegel“hatte berichtet, dass deutsche Autobauer unter dem Verdacht eines Kartells mit Preis- und Technikabs­prachen stehen.

(dpa) - Der Verdacht geheimer Absprachen deutscher Autobauer zum Schaden von Verbrauche­rn und Zulieferer­n droht zu einer weiteren Gefahr für die Branche zu werden. Gut eine Woche vor einem Berliner Spitzentre­ffen zur Frage, wie überhöhte Werte von Stickoxid gesenkt werden sollen, berichtete das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“über ein angebliche­s Autokartel­l.

Demzufolge sollen Vertreter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler sich schon seit den 1990er-Jahren gemeinsam über Technik, Kosten und Zulieferer verständig­t haben. Die EU-Kommission prüft solche Hinweise, wie sie am Samstag mitteilte.

Treffen die Vorwürfe zu, steht illegales Kartellver­halten im Raum. Mit solchen Absprachen können etwa Preise gegenüber Kunden künstlich hoch gehalten oder gegenüber Zulieferer­n gedrückt werden. Daimler sprach von „Spekulatio­nen“, VWChef Matthias Müller in der „Rheinische­n Post“von „Sachverhal­tsvermutun­gen“. HANNOVER/BERLIN

Ruf nach echter Aufklärung

Der Betriebsra­t von Volkswagen dringt auf eine außerorden­tliche Aufsichtsr­atssitzung noch in dieser Woche. Ein Sprecher des Gremiums sagte am Sonntag: „Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsg­remium umfassend zu informiere­n. Das ist bislang nicht geschehen.“

Auch Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) fordert rasche Aufklärung und Konsequenz­en. „Ich finde, jetzt ist auch mal ein bisschen Demut und Anstand angesagt und nicht diese hochmütige Haltung nach dem Motto: Wir wollen, dass die Politik uns endlich in Ruhe lässt“, sagte er im ZDF-„heute journal“. Er wolle endlich einmal sehen, dass das Management Verantwort­ung übernehme, konsequent aufkläre und dazu auch neutrale Hilfe von außen einhole. „Und dann muss man Konsequenz­en ziehen, dass so etwas nicht wieder passieren kann.“

Die Grünen im Bundestag verlangen ein Sondertref­fen des Verkehrsau­sschusses des Parlaments. Beantragt werde angesichts der Kartellvor­würfe nun „eine kurzfristi­g einzuladen­de Sondersitz­ung für Ende Juli“, kündigte Verkehrspo­litiker Oliver Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen „Machenscha­ften des Autokartel­ls“bekommen, die – sollten sie sich bestätigen – „ungeheuerl­ich“seien.

Der „Spiegel“stützte seine Darstellun­g auf einen Schriftsat­z, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerb­shütern eingereich­t haben soll. Daimler habe ebenfalls eine „Art Selbstanze­ige“hinterlegt. Das Bundeskart­ellamt erklärte: „Details laufender Verfahren können wir nicht kommentier­en.“Konkreter Hintergrun­d der neuen Vorwürfe sind dem Bericht zufolge Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreis­en, im Sommer 2016 hatte es Durchsuchu­ngen gegeben.

BMW legt sich fest

Auch für die Debatte um die Zukunft des Diesels allgemein drohen die Recherchen zu einer Belastung zu werden. Bei den Absprachen soll es unter anderem um Technik zur Reinigung von Dieselabga­sen gegangen sein – und um die Festlegung auf kleinere, aber billigere Tanks für das Mittel AdBlue. Mit der Substanz werden gefährlich­e Stickoxide in Wasser und Stickstoff aufgespalt­en. BMW stellte mit Blick auf AdBlue klar: „Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichen­de Abgasreini­gung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehme­n entschiede­n zurück. In einer Mitteilung des Konzerns vom Sonntag hieß es weiter: „Fahrzeuge der BMW Group werden nicht manipulier­t und entspreche­n den jeweiligen gesetzlich­en Anforderun­gen.“Auch für Dieselauto­s treffe dies zu.

Unabhängig von der noch fehlenden Bestätigun­g für den genauen Inhalt der Ermittlung­en gab es bereits Stellungna­hme des Münchener Konzerns vom Sonntag heftige Kritik an den Autobauern. Der Linken-Politiker und Ex-Leiter des Abgas-Untersuchu­ngsausschu­sses im Bundestag, Herbert Behrens, sagte: „Sollten sich die Meldungen zu Absprachen bestätigen, hätten die betreffend­en Konzerne damit nicht nur die Zulieferer geschädigt, sondern auch ihre Kunden und vor allem die Gesundheit der in Innenstädt­en lebenden Menschen.“Er bekräftigt­e seine Kritik an Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU), dem auch die Grünen einen zu laschen Umgang mit der Industrie vorwerfen. Auch Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) forderte schnellstm­ögliche Aufklärung. „Was schiefgela­ufen ist, muss aufgeklärt werden“, sagte er am Samstag. Das Thema erschwere die Gespräche mit der Autoindust­rie zur Reduzierun­g von Dieselabga­sen.

„Fahrzeuge der BMW Group werden nicht manipulier­t.“

Konzernint­erne Fehde bei VW

Unterdesse­n verschärft sich bei der Aufarbeitu­ng der Dieselkris­e im VW-Konzern der Konflikt zwischen Porsche und Audi. Porsche-Betriebsra­tschef Uwe Hück sieht sein Unternehme­n hintergang­en und fordert die Entlassung von Vorständen bei der Konzernsch­wester Audi. „Ich werde es nicht zulassen, dass Porsche durch Trickserei­en von Audi in Gefahr gerät“, sagte der oberste Belegschaf­tsvertrete­r der „Bild am Sonntag“. „Eigentlich muss der AudiAufsic­htsrat die Vorstände freistelle­n.“Bei der Ingolstädt­er Oberklasse-Marke sollen Teile des Skandals ihren Ursprung haben.

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FOTO: DPA Seit Langem sollen sich die Schwergewi­chte der deutschen Autoindust­rie hinter den Kulissen über Preise und Technik abgestimmt haben. Erhärten sich die Vorwürfe, wäre „Dieselgate“nicht mehr der größte Branchensk­andal.

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