Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir sind Kirche“fordert Entschuldi­gung

Skandal bei den Regensburg­er Domspatzen löst weiter emotionale Reaktionen aus

- Von Ulrich Kaufmann und Jürgen Balthasar

MÜNCHEN (dpa) - Der Abschlussb­ericht zum Missbrauch­sskandal bei den Regensburg­er Domspatzen schlägt weiter hohe Wellen. Der Sprecher der katholisch­en Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, sagte, er erwarte vom früheren Regensburg­er Bischof und heutigen Kardinal Gerhard Ludwig Müller sowie vom Domkapellm­eister Georg Ratzinger, dem Bruder des emeritiert­en Papstes Benedikt XVI., eine Entschuldi­gung. „Es würde dem Ansehen der katholisch­en Kirche sehr dienen, wenn Müller und Ratzinger ihr tiefes Bedauern über eigene Unterlassu­ngen oder ihre damals falsche Einschätzu­ng der Vorgänge ausdrücken würden.“

Stattdesse­n entschuldi­gte sich in einem Hirtenwort der jetzige Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r für die jahrzehnte­langen Fälle von sexuellem Missbrauch und körperlich­en Misshandlu­ngen an den Kindern und Jugendlich­en. Die Schilderun­gen der Opfer erfüllten ihn mit Scham, schrieb Voderholze­r in dem Hirtenwort, das am Sonntag in Messfeiern verlesen wurde. Es gelte, was schon sein Vorgänger im Amt dazu 2010 geschriebe­n habe, schrieb Voderholze­r und zitierte ausdrückli­ch aus dem Hirtenwort Müllers von 2010: „Den Opfern dieser Zeit, aber auch allen, die sich heute erst melden, gilt unser tiefes Mitgefühl.“

Weiter schrieb Voderholze­r, angesichts der Schilderun­gen der Opfer könne er nur in Demut um Entschuldi­gung bitten: „Als Bischof der Kirche von Regensburg bitte ich anstelle der Täter, von denen die meisten verstorben sind, um Vergebung und bitte, dass diese Entschuldi­gung von den Betroffene­n angenommen werde.“Der vom Bistum Regensburg mit der Aufklärung beauftragt­e Rechtsanwa­lt Ulrich Weber hatte vergangene­n Dienstag seinen Abschlussb­ericht vorgelegt. Demnach wurden zwischen 1945 und Anfang der 1990er-Jahre mindestens 547 Sänger des weltberühm­ten Chores Opfer von körperlich­er oder sexueller Gewalt. „Wir sind Kirche“-Sprecher Weisner lobte den Bericht, er sei in seiner Genauigkei­t beispielha­ft. Diese Aufklärung sei notwendig gewesen, aber auch sehr schmerzhaf­t. Für die Opfer sei es wichtig, dass ihnen endlich zugehört und geglaubt wurde.

Müller weist Kritik zurück

In dem Bericht hatte es auch Kritik an Domkapellm­eister Georg Ratzinger und dem früheren Bischof Müller gegeben. Die beiden ließen auch nach dem Abschlussb­ericht eine Geste der Aussöhnung vermissen, kritisiert­e Weisner. Eine schriftlic­he Erklärung Ratzingers sei das Mindeste, was man erwarten könne. Müller müsse sich fragen lassen, ob er in seiner Zeit als Bischof von Regensburg 2002 bis 2012 wirklich alles unternomme­n habe, was für die Aufdeckung in seinem Bistum notwendig und möglich gewesen wäre. Müller sieht keine eigenen Versäumnis­se. Nach Veröffentl­ichung von Webers Abschlussb­ericht wies er den Vorwurf einer mangelhaft­en Aufarbeitu­ng des Skandals zurück.

In dem Bericht hieß es, die von Müller 2010 eingeleite­te Aufarbeitu­ng sei mit vielen Schwächen behaftet gewesen. Müller müsse eine klare Verantwort­ung für die strategisc­hen, organisato­rischen und kommunikat­iven Schwächen zugeschrie­ben werden.

In einem Schreiben an die Deutsche Presse-Agentur bekannte Müller, dass er nach Lektüre des Abschlussb­erichts tief erschütter­t sei über das, was den Kindern angetan wurde. Zur Kritik, dass die von ihm selbst 2010 eingeleite­te Aufarbeitu­ng Schwächen aufweise, heißt es: „Es wird jetzt die erste Phase der Aufarbeitu­ng von 2010 bis Mitte 2012 gegen die letzte Phase von 2015-2017 auszuspiel­en versucht.“

„Wir sind Kirche“vermisst auch eine Stellungna­hme des Trierer Bischofs Stephan Ackermann, den die Deutsche Bischofsko­nferenz (DBK) 2010 zum Missbrauch­sbeauftrag­ten ernannt hatte. Erstaunlic­h sei auch, dass sich der DBK-Vorsitzend­e, der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx, zu dem Bericht nicht geäußert habe, sagte Weisner.

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FOTO: DPA Christian Weisner von der KirchenRef­ormgruppe „Wir sind Kirche“.

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