Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Assads Sohn rechnet in Rio um die Wette
Der älteste Sohn von Syriens Präsident ist der unfreiwillige Star bei der Mathematik-Olympiade in Brasilien
RIO DE JANEIRO (dpa) - Während in Syrien der Krieg tobt, rechnet der älteste Sohn von Präsident Baschar alAssad bei der Mathe-Olympiade in Rio. Hafez al-Assad betont, ein normaler Junge zu sein – doch auf viele wirkt das Ganze trotzdem grotesk.
Dem 15-Jährigen scheint der Trubel fast peinlich zu sein. Er will nicht das Team überstrahlen, zumal er am schlechtesten gerechnet und Syrien dadurch in der Gesamtwertung nach unten, auf Platz 56, gezogen hat.
Am Eingang werden Journalisten Begleiter zur Seite gestellt. Aufzüge dürfen nur von den 615 Teilnehmern der Mathematik-Olympiade benutzt werden. Kontrollen mit Scannern, auch Polizisten in Zivil sollen im Hotel Windsor Oceanico am Strand des Vororts Barra da Tijuca unterwegs sein. Nicht auszudenken, wenn bei der Mathe-Olympiade in Rio der Sohn von Syriens Präsident Baschar al-Assad entführt würde. Klar, dass ein Bodyguard dabei ist.
Ein paar Kilometer vom Austragungsort der Mathe-Olympiade entfernt ist der Olympiapark. Dort kämpfte vor fast einem Jahr, bei den Olympischen Spielen von Rio 2016, erstmals auch ein Flüchtlingsteam um olympische Ehren, es war auch wegen der Massenflucht durch den Krieg in Syrien ins Leben gerufen worden. Auch Brasilien wurde seit 2013 dank Tausender Sondervisa der Regierung zum Zufluchtsland, auch wenn Samba und Caipirinha für Muslime eine ziemlich fremde Welt sind. Aber dieser Kulturschock war allemal besser als der gefährliche Weg übers Mittelmeer. Diese Welt der Bomben, der Opfer, der auseinander gerissenen Familien ist hier im Strandhotel weit weg.
Hafez ist der älteste von drei Assad-Söhnen. Generalkonsul Sami Salameh begleitet ihn in Rio. Er betont: „Hier geht es nicht um Politik.“Man könne über die Mathe-Olympiade reden. Hafez selbst will oder darf nicht mehr reden, immer wieder sagt er: „I am sorry.“
Zuvor hatte er dem brasilianischen Portal „O Globo“ein freimütiges Interview gegeben, zufällig war sein Name auf der Teilnehmerliste aufgefallen. Seither ist in Medien vom „Diktatorsohn“die Rede, der in Rio rechnen und relaxen darf, während zu Hause gestorben wird. Im „Globo“-Interview hatte Hafez gesagt: „Damaskus ist ein bisschen wie Rio. Der Großteil der Stadt ist sicher, aber einige Gegenden nicht.“Seine Freunde sähen ihn als ganz normale Person. Er hoffe auf ein baldiges Kriegsende – und folgt der offiziellen Regierungslinie: „Das ist ein Krieg gegen das Volk. Die Bevölkerung und die Regierung sind geeint gegen die Invasoren.“Hafez al-Assad glaubt an den Sieg seines Vaters. Eines kommt für ihn nicht infrage. Würde er Syrien verlassen? „Niemals.“
Im Syrienkrieg kamen nach UNSchätzungen bisher mehr als 400 000 Menschen ums Leben. Er zählt damit zu den opferreichsten Konflikten seit 1945. Jeder zweite Syrer hat das Land verlassen oder ist an einen anderen Ort im Land geflohen. Allein die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien haben zusammen rund 4,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.