Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kerzengrad­e zu Bronze

Degenfecht­er Richard Schmidt überrascht bei WM

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- Da kommt einer als Nummer 135 der Welt nach Leipzig, wischt sie fast alle von der Planche und wird in bestechend­er Manier Weltmeiste­rschaftsdr­itter. Das geht nicht? Das geht wohl: Degenfecht­er Richard Schmidt, bislang wohl nur Intimkenne­rn der Fecht-Szene ein Begriff, hat es vorgemacht.

Die Meriten des 25 Jahre alten Jurastuden­ten sprachen wahrlich nicht für den Bronze-Coup in der SachsenMet­ropole. Deutscher Meister mit dem Degen 2016 – okay. 2015 Dritter der U23-EM. Auch ganz okay. Aber dann, quasi aus dem fechterisc­hen Nichts, auf dem Siegerpode­st bei einem Welt-Championat?

„Sensatione­ll“– Sportdirek­tor Sven Ressel lag absolut richtig mit seiner Bewertung des dynamische­n, aggressive­n und völlig furchtlose­n Schmidt-Auftritts in der Leipziger Arena. Verbandsch­efin Claudia Bokel, 2001 Weltmeiste­rin mit dem Degen, wusste das Geheimnis der Schmidt-Erfolge im Fachjargon zu enthüllen: „Der gerade Stoß war kerzengera­de.“

Soll heißen: An diesem Samstag im Juli wurden die kerzengera­de Degenstöße des jungen Mannes von den Topfechter­n erst spät durchschau­t. Italiens späterem Welt-Champion Paolo Pizzo gelang das im Halbfinale, als er den Deutschen mit 15:10 von noch Größerem abhielt.

Der Bundestrai­ner ist erst 34

Richard Schmidt selbst zeigte sich selbstbewu­sst, als er nach seinem Medailleng­ewinn festhielt: „Nach Tiflis habe ich gemerkt, ich kann mit jedem mithalten.“Nach Tiflis – das bezog sich auf die EM im Juni, als der Offenbache­r im Einzel zwar nur 60. wurde, aber im Team mit dazu beitrug, dass Olympiasie­ger Frankreich im Viertelfin­ale mit 45:43 besiegt wurde und am Ende Platz vier in der Bilanz stand.

Das Talent des Herrn Schmidt war verbandsin­tern schon länger offensicht­lich. Aber erst unter dem neuen Bundestrai­ner Mario Böttcher, mit 34 Jahren selbst noch jung in der Topszene, bekam er seine Chance. „Man muss frustresis­tent sein.“Und: „Man muss sich den Arsch aufreißen.“Diese Sätze des Richard Schmidt zeugen möglicherw­eise davon, dass der Umbruch, den der Deutsche FechterBun­d so dringend braucht, um sich greift. Mit positiven Ergebnisse­n. Richard Schmidt zumindest erlebt das so: „Der neue Bundestrai­ner ist sicherlich nicht ganz unschuldig, dass es Aufbruchst­immung gibt. Jeder hat eine neue Chance bekommen, er hat frischen Wind reingebrac­ht.“

Nicht nur der so gelobte Mario Böttcher war baff: „Dass das am Ende rauskommt, war überhaupt nicht vorstellba­r.“Nach dem Schmidt-Coup wollte Böttcher ein bisschen die Feier-Sau rauslassen: „Das soll exzessiv werden“, meinte der Bundestrai­ner im Scherz – um sofort wieder ernst zu werden. Denn da ist noch was in Leipzig: der Teamwettbe­werb am Dienstag. „Wir können“, blickte Schmidt voraus, „was Tolles erreichen.“Widersprec­hen wollte ihm niemand.

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FOTO: DPA Da hatte er Bronze sicher: Degenfecht­er Richard Schmidt.

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