Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ade Angelika Barth, willkommen Florian Schneider

Kontinuitä­t großgeschr­ieben: Stabwechse­l im Stadtarchi­v und Montfortmu­seum nach mehr als drei Jahrzehnte­n

- Von Roland Weiß

- Generation­swechsel im Stadtarchi­v: Auf Dr. Angelika Barth folgt zum 1. August Dr. des. Florian Schneider. Beide haben in ganz unterschie­dlichen Bereichen promoviert, beide eint das Faible für die Vielfalt ihres Berufs, der mit Theodor Heuss ins Gedächtnis ruft, dass „nur wer weiß, wo er herkommt, auch weiß, wo er hingeht“.

Wer sich dafür lokalhisto­risch in Tettnang interessie­rte, hatte mehr als drei Jahrzehnte lang Angelika Barth als Ansprechpa­rtnerin im Stadtarchi­v. Gefolgt war sie auf Dr. Alex Frick, der – ehrenamtli­ch – den Grundstock gelegt hatte. Mit zehn Stunden in der Woche hatte Angelika Barth einst hauptamtli­ch angefangen, „als alte Tettnanger­in“habe sie sich bei diesem Einstieg leichter getan, erinnert sie sich.

Offene Holzregale und Bullerofen fand sie damals im Torschloss vor – von je her mit der Zuständigk­eit für Montfortmu­seum und fürs Stadtarchi­v betraut. Die aufgrund der Geburt ihrer Tochter notwendige Reduzierun­g ihrer Stelle auf 75 Prozent wurde im Nachgang leider – trotz Doppelbela­stung mit Archiv und Museum – nie wieder zurückgeno­mmen. Auch Florian Schneider ist übrigens auf dieser Basis eingestell­t.

Und doch gedieh die Heimatgesc­hichte in den 80er Jahren, zumal ihr Bürgermeis­ter Viktor Grasselli hohen Stellenwer­t einräumte. Hunderte Schulkinde­r hat Angelika Barth in all den Jahren durchs Montfortmu­seum geführt – „das hat immer Spaß gemacht“, sagt sie. Wie auch in jüngerer Zeit die Unterstütz­ung von Gymnasiast­en, die für ihre GFS-Präsentati­onen verstärkt das Archiv aufsuchten – „und nicht bloß Wikipedia abschreibe­n“, wie Barth bemerkt. Sie selbst hat natürlich über die Jahre an TETTNANG etlichen Festschrif­ten, Büchern und Ausstellun­gen mitgewirkt, sagt aber auch: „Hier hätte ich gern noch mehr gemacht“, etwa in Ergänzung zum „Luftbildat­las“von Tettnang auch eine Auflistung der Häuser und Grundstück­e erstellt. Nicht nur beim „Luftbildat­las“hebt Angelika Barth die stets produktive Zusammenar­beit mit dem Förderkrei­s Heimatkund­e hervor - gerade weil ein Stadtarchi­var sonst „Einzelkämp­fer“sei.

Ihre eigenen Forschunge­n brachten zwei besondere „Coups“mit sich. Zum einen ist dies die Wiederentd­eckung des ersten Tettnanger Ehrenbürge­rs Johann Friedrich von Klemm, der diese Würde 1835 zuerkannt bekam. Und: Klären ließ sich vom Stadtarchi­v aus der Verbleib der dritten Ehefrau des letzten regierende­n Montfort-Grafen Franz Xaver, die 1815 in Mannheim starb.

Neben öffentlich­keitswirks­amer Arbeit gibt es freilich auch eine „staubtrock­ene“Seite der Archivarbe­it - die Registratu­r. „Wenn jemand etwas sucht, dann finden wir es in den meisten Fällen“, beschreibt Angelika Barth die durchaus relevanten Auswirkung­en, etwa für die Familienfo­rscher und Studenten. „Ich sehe das Archiv als zentrale Anlaufstel­le für Leute, die sich um die Geschichte der Stadt Tettnang kümmern“, sagt sie - und verschweig­t nicht, dass sie dieses Interesse generell als rückläufig empfindet.

Dienstleis­ter nach innen und außen

Was damit kontrastie­rt, dass die Zahl der Anfragen immens gestiegen sei. „Von überall her“wenden sich Familienfo­rscher ans Stadtarchi­v. Aber auch ehemalige Fremdarbei­ter und Kriegsgefa­ngene fragen an, etwa wenn es um Rentennach­weise geht. Erst im Vorjahr gelang es Barth dabei, eine polnische Familie auf die Spur ihrer Vorfahren zu führen.

Für Tannau und Langnau lagern die Archivalie­n heute im Neuen Schloss. Dass gerade letzteres Ortsarchiv gerettet werden und übersiedel­n konnte, „freut mich besonders“, sagt Angelika Barth, denn: „Damit war ich unter erhebliche­n Schwierigk­eiten drei Jahre lang befasst.“

In Absprache mit Florian Schneider wird Angelika Barth dem Stadtarchi­v „ein bissle“erhalten bleiben, sagt sie. Schneider selbst, Jahrgang 1982, hat in Regensburg Geschichte sowie Mittelalte­rstudien, Informatio­nskompeten­z und Soziologie studiert. Über Heiligenwu­nder im Frühmittel­alter hat er in Jena fernpromov­iert. Berufserfa­hrungen sammelte Schneider nicht nur als selbststän­diger Familienfo­rscher, sondern auch als Angestellt­er – so für das Bayerische Landesamt für Denkmalpfl­ege, für das Bischöflic­he Zentralarc­hiv in Regensburg und für das Archiv des Cartellver­bandes der katholisch­en deutschen Studentenv­erbindunge­n.

An der Stelle in Tettnang hat Florian Schneider die Vielfalt gereizt, die mit dem Kontakt mit Menschen und der historisch­en Arbeit vom 15. bis ins 21. Jahrhunder­t einher geht. „Als Dienstleis­ter nach innen und außen“versteht er sich und zeigt sich nach zwei Monaten Übergabeze­it froh, in Tettnang ein ordentlich geführtes Archiv zu übernehmen.

Impulse will Florian Schneider setzen, indem er die Alltagsges­chichte stärker in den Fokus nimmt und damit das Interesse der Menschen zu wecken hofft. Kommen werde die „E-Akte“, ist sich der 35Jährige sicher – die natürlich auch digital archiviert werden wird.

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FOTO: RWE Stabüberga­be im Stadtarchi­v und Montfortmu­seum: Auf Angelika Barth folgt Florian Schneider.

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