Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Pete Seeger kennen wenige, seine Musik alle
Theater Lindenhof gastiert mit „We shall overcome“im Großen Zelt und das Publikum steht auf zum Beifall
- „We shall overcome“vom Theater Lindenhof ist mal wieder so eine der überraschenden Entdeckungen des Kulturufers. Mit dem Namen Pete Seeger sind in Europa wenig Menschen älter geworden, mit seiner Musik ist es jeder. Es war ein inszeniertes Konzert über das Leben des Musikers, des politischen Aktivisten und des Umweltschützers Pete Seegers.
Ein Amerikaner, wie er nicht im Buche steht. Der für seine Überzeugungen auch Gefängnisstrafe in Kauf nahm und dessen Leben zeigt, dass es immer schon Rassismus, Ausgrenzung und Willkür unbequemer Regierungen gegeben hat. Davon ist auch Amerika – die vermeintlichen Erfinder der Demokratie – nicht ausgeschlossen.
Bei der Inszenierung von Heiner Kondschak, der die Rolle des älteren Pete Seegers spielt, bedient sich das Theater Lindenhof der Erzählform, der schauspielerischen Darstellung, begleitet von Live-Musik und Gesang sowie der Präsenz eines großartigen 40-köpfigen Chores, dem die Bühne nicht groß genug ist. Sie nutzen den verbleibenden Platz im Großen Zelt, marschieren singend durch die Gänge, beklatschen im Publikum als Publikum den Sänger auf der Bühne und spätestens bei dem Titelstück dürfte dem Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen sein. „We shall overcome“, was so viel bedeutet wie „Wir werden es überwinden“, steht schon fast symbolisch für das Leben Seegers.
Geboren in New York im Mai 1919, tingelte er als Junge mit seinen Eltern durch Amerika, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Farmern die klassische Musik nahezubringen. Nach dessen Scheidung lebte er bei seinem Vater und mit gut 20 Jahren lernte er Woody Guthrie kennen. In dieser Zeit begegnete ihm auch Toshi, seine spätere Ehefrau, mit der er fast siebzig Jahre verheiratet war. Zusammen mit Guthrie, Lee Hays und Millard Lampell gründete er die Folkgruppe „The Almanac Singers“und später, Ende der 40er-Jahre, zusammen mit Sänger Lee Hays sowie Ronnie Gilbert und Fred Hellermann das Quartett „The Weavers“. Er schrieb Songs wie „Where have all the Flowers gone“, „Turn, Turn, Turn“, “If I had a Hammer” oder “Bring them home”. Viele namhafte Pop- und Rocksänger coverten seine Lieder, darunter Bob Dylan, Bruce Springsteen, Joan Baez oder auch Peter, Paul and Mary, und seine Lieder stehen symbolisch als Protestsongs gegen den Vietnam Krieg und gegen den Rassismus.
Musiker und Humanist
Die Inszenierung des Theater Lindenhofs zeigt Pete Seeger nicht nur als Musiker, sondern insbesondere auch als Humanist, als Kämpfer gegen den Rassenhass, der sich für Meinungsfreiheit und Gleichheit einsetzt und bereits als Umweltaktivist öffentlich in Erscheinung trat, als diese Bezeichnung noch gar nicht erfunden war. Ein Mensch, der auch unter Druck und unter Androhung juristischer Repressalien währen der MaCarthy-Ära den Mut besaß, für demokratische Grundrechte zu kämpfen. Es ist – trotz der Musik – ein Stück, das eher leise beginnt. Bei dem der fast 90-Jährige (Heiner Kondschak) und seine fast ebenso alte Frau Toshi (Linda Schlepps) einen Rückblick halten.
Ihre Erinnerungen werden im szenischen Spiel festgehalten. Die Begegnung der jungen Toshi (Kathrin Kestler) und dem jungen Musiker (David Scheib), ihr gemeinsames Leben, die Widrigkeiten des Lebens, die sie gemeinsam überwunden haben. Mit „We shall overcome“ist es Heiner Kondschak gelungen, eine Mischung aus Erzähltheater, Schauspiel und Konzert auf die Bühne zu bringen, die sowohl ernste Passagen als auch witzige Pointen beinhaltet. Absolut sehens-und hörenswert ist dieses Stück, das beiläufig die Frage offen lässt: Welches Instrument spielt Heiner Kondschak eigentlich nicht?