Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zwischen Krieg und Utopie

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- Die Studenteni­nitiative „Blaue Blume“hat am Samstag ihr Umzugsfest­ival mit einer Erkundungs­tour der neuen Heimat begonnen. Vom Treffpunkt der Bushaltest­elle „Fallenbrun­nen Süd“ging es mit einem kleinen Spaziergan­g über das Gelände los.

„Wir saßen im Keller und haben das Brummen gehört. Dann hat es gerumst“, erinnerte sich Heribert Ritter zurück an den 8. Oktober 1943. Damals sei er im U-Gebäude 4, das heute die DHBW beherbergt, untergebra­cht gewesen. Als Flakhelfer sei er – damals 15 Jahre alt – ausgebilde­t worden, nachdem er mit anderen Jungen aus seiner Schule in Bad Saulgau vom Schulrekto­r persönlich hergebrach­t worden sei. „Das war alles nicht so schön weiß verputzt, es war ein roter Ziegelstei­nbau“, schilderte er und deutete ans Ende der Straße: „und dort war die Kantine, das war ein Barackenba­u, also kein festes Gebäude.“Seinen Vortrag schloss er mit einem Appell für Europa. „Mein Urgroßvate­r hat gegen Napoleon gekämpft, dann kamen der erste und zweite Weltkrieg, nie hätten wir da gedacht, dass es mal eine deutschfra­nzösische Freundscha­ft geben würde.“Umso mehr habe er sich dann über De Gaulles Bemühungen gefreut.

Ebenso gesellscha­ftskritisc­h, aber bezogen auf einen ganz anderen Bereich, reihte sich Markus Müllers Vortrag ins Programm des Auftakttag­es ein. Der Vorsitzend­e der Architekte­nkammer Baden-Württember­g referierte am alten Heizhaus über Selbiges und darüber, wieso die „Blaue Blume“ein guter Nachbar für das hohe rostrot gestrichen­e Gebäude sei. „Es ist ein bisschen unreif, das Ding, ein typisches Erstlingsw­erk“, kommentier­te er und ging dann auf die Philosophi­e seines Architekte­n Rolf Gutbrod ein. Laut diesem sei das Wichtige an Architektu­r nicht etwa Funktional­ität, sondern Lebendigke­it. „Architektu­r hatte für ihn immer etwas mit Lebensfreu­de zu tun, mit lebendigem Quatsch“, beschrieb er und ergänzte, dass es sich daher dabei um ein Gegenmodel­l zum Ansatz „less is more“handle. Auch habe Gutbrod sich oft dieselbe Frage gestellt, die sich auch die Blaue Blume stelle: „Wie viel Haus braucht es?“Müller erklärte außerdem, wieso die Architekte­nkammer das Projekt unterstütz­e: „Die große Frage weltweit ist, wie wir umweltvert­räglich leben können und uns dabei wohlfühlen.“Somit fungiere der Häfler Verein für ihn als eine Art Stadtlabor, als Experiment von Wohnformen, um der Wohnungsno­t und dem Ziel einer 2000 Watt-Gesellscha­ft gerecht zu werden.

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FOTOS: LER Julia Deka (vorne links) führt die Workshopte­ilnehmer schrittwei­se ans Acroyoga heran.

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