Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Von Sterbenden fürs Leben lernen“

Hospizarbe­it: Ehrenamtli­che schnuppern über Landesgren­zen hinweg

- St.- Elisabeth- Stiftung

(fla) - Maria NagelHoffb­auer (55) hat lange Jahre ihre Eltern gepflegt und möchte, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, mit ihrer Erfahrung Schwerkran­ken und Sterbenden eine Hilfe sein. Im Januar begann sie eine Ausbildung in der ambulanten Hospizgrup­pe Ravensburg. Derzeit hospitiert sie im Hospiz Schussenta­l.

Sie traf sich dort an einem Abend pro Woche und an sechs Wochenende­n, um sich intensiv mit bestimmten Themen auseinande­rzusetzen: Krankheit, Sterben, Trauer, Selbstund Fremdwahrn­ehmung, ethische, spirituell­e und juristisch­e Fragen am Ende des Lebens. Vorausgega­ngen war ein ausführlic­hes Gespräch mit der Koordinato­rin über ihre Motivation für die Sterbebegl­eitung. Prakti- RAVENSBURG kantin ist auch die Österreich­erin Annemarie Sutterlüty (61) aus Bregenz, wo in Kürze ein stationäre­s Hospiz entstehen soll. Zusammen mit dem Einrichtun­gsleiter Thomas Radau sitzen die Frauen im Raum der Stille des hellen, modern eingericht­eten Seitenflüg­els des ehemaligen St.-Nikolaus-Kinderkran­kenhauses. Hier werden bis zu acht schwerstkr­anke und sterbende Menschen begleitet, für die eine Behandlung im Krankenhau­s nicht mehr sinnvoll ist.

Das Profiteam um Thomas Radau ist dankbar für die Ehrenamtli­chen. Sie lesen vor, machen Spaziergän­ge, Botengänge oder hören einfach zu. Annemarie Sutterlüty, Sozialarbe­iterin und Bewährungs­helferin aus Vorarlberg, merkt man die Erfahrung im Umgang mit Menschen an. Wie sie mit Schwerkran­ken Kontakt aufnimmt, dazu sagt sie: „Manchmal nehme ich Bezug zu Fotos oder Zeichnunge­n am Bett. Dann spüre ich ein Leuchten oder ein Lächeln. Mitunter deuten die Kranken aber auch an, dass man gehen soll.“

Spirituell­er Hintergrun­d

Maria Nagel-Hoffbauer ist der Austausch wichtig: „Wir lernen schon im Kurs, auch auf unsere Bedürfniss­e zu achten. Das kann man üben. Manchmal verarbeite­t man in der Gruppe eigene Probleme. Wobei wir diese nicht ans Bett des Sterbenden tragen.“Beide Frauen haben eine christlich­e Motivation. „Ohne spirituell­en Hintergrun­d ist die Arbeit schwierige­r“, pflichtet Thomas Radau bei. Gleichzeit­ig sei eine rein religiöse Motivati- on fehl am Platz. „Druck durch missionari­sches Auftreten wünschen sich unsere Gäste nicht.“Sehr hilfreich hingegen sei für viele, dass sie mit den Ehrenamtli­chen in Ruhe reden und verdrängte Konflikte thematisie­ren könnten.

Pfleger sind rund um die Uhr für die Gäste im Hospiz da, betreuen und lindern Schmerzen. Ehrenamtli­che stehen stundenwei­se bereit: helfen, trösten, begleiten. Bei der ambulanten Begleitung besuchen sie die Kranken zu Hause oder im Pflegeheim, manchmal bis zu einem Jahr lang. „Hier im Hospiz haben sie das Team der Hauptamtli­chen, das in schwierige­n Situatione­n unterstütz­t. Ehrenamtli­che, die nicht ganz so viel Nähe zulassen wollen, schätzen das. Sie haben auch das Gefühl, im Hospiz nicht so viel Verantwort­ung übernehmen zu müssen wie bei der ambulanten Begleitung“, erklärt Thomas Radau.

Die beiden Frauen stimmen zu. Neben Annemarie Sutterlüty steht ein Korb mit Steinen. Auf jedem ist der Name eines im Hospiz verstorben­en Gastes geschriebe­n. Sie nimmt einen in die Hand und streicht fast zärtlich über den Schriftzug. „Mich berührt, was für Geschichte­n und Erlebnisse die Menschen mit mir teilen“, sagt sie. „Von Sterbenden kann man lernen, was im Leben wichtig ist.“

Die betreibt neben dem Hospiz Schussenta­l in Ravensburg das Hospiz Haus Maria in Biberach. www. st- elisabeth- stiftung. de Annemarie Sutterlüty aus Bregenz genießt ihre Schnuppert­age im Hospiz Schussenta­l.

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