Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zuschauen beim Artenschwu­nd

- Von Uwe Jauß ●» u.jauss@schwaebisc­he.de

Ältere Zeitgenoss­en kennen noch das Kinderlied „Maikäfer, flieg“. Heutige Kinder dürften indes nicht einmal mehr wissen, wie das entspreche­nde Insekt aussieht. Der Maikäfer ist selten geworden. Dies gilt ebenso für viele Schmetterl­ingsarten. Bienen gibt es weniger – und so weiter. Die Entwicklun­g ist alarmieren­d. Forscher haben nun festgestel­lt, dass es in Deutschlan­d 80 Prozent weniger Insekten gibt als vor 30 Jahren. Eine Hauptursac­he dafür ist schnell ausgemacht: das zunehmende intensive bäuerliche Wirtschaft­en.

Maisfelder bis zum Horizont vertragen sich nicht mit Artenvielf­alt. Wiesen, die alle paar Wochen fürs Grünfutter gemäht werden, bringen keine Blumen und Kräuter mehr hervor. Imker klagen darüber seit Langem, weil ihre Bienen immer weniger Blüten finden. Insofern beruht das Thema des Insektensc­hwunds auf altbekannt­en Erkenntnis­sen. Dasselbe gilt für den Zusammenha­ng von Artensterb­en und der fast schon industriem­äßigen Landwirtsc­haft. Wirklich dramatisch ist dann auch, dass bis heute nichts Entscheide­ndes gegen den ökologisch­en Verfall unternomme­n wurde.

Umweltverb­ände beklagen seit Jahrzehnte­n den Artenschwu­nd. Genauso lange verspricht die Politik, Lösungen zu finden. Indes haben Bauernfunk­tionäre durchaus ein Einsehen, dass intensives Wirtschaft­en für die Natur dramatisch sein kann. Im Großen und Ganzen hat sich aber nichts geändert. Im Gegenteil: Das industrien­ahe Gehabe nimmt auch in der eher noch kleinbäuer­lich strukturie­rten Welt in Süddeutsch­land zu. Betriebswi­rtschaftli­ch gesehen bleibt den meisten, längst im globalen Wettbewerb stehenden Landwirten aber auch kaum etwas anderes übrig.

Die Politik gefällt sich jedoch vor allem darin, in erster Linie ihre insgesamt eher bescheiden­en ExtensivPr­ogramme für den Agrarberei­ch zu feiern. Diese gehen aber nicht weit genug. Was endlich benötigt wird, ist eine gesellscha­ftliche Entscheidu­ng, welche Umwelt und welche Landwirtsc­haft wir wollen – und was uns mehr Ökologie wert ist.

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