Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Café statt Auto

Fußgänger und Fahrzeuge kämpfen in Innenstädt­en um Platz – In Mannheim können Gastronome­n nun Parkplätze nutzen

- Von Wolfgang Jung

MANNHEIM (dpa) - Es sind nur 24 ganz normale Sitzplätze – aber für Ronnie Boland ist es eine „Großstadto­ase“. Wo noch vor Kurzem drei Autos parkten, sitzt der Mannheimer Café-Betreiber lächelnd auf seiner neuen Holzterras­se. In einem überrasche­nden Schritt bot die Verwaltung der badischen Stadt jüngst den einheimisc­hen Gastronome­n an, ihre Außenbestu­hlung auf Parkbuchte­n auszuweite­n. Boland zögerte keinen Moment. Kritiker der Neuerung nimmt er nicht ernst. „Von denen hat bei mir noch nie einer Kaffee getrunken“, sagt er.

Stadtgesta­ltern zufolge stören die Caféhaus-Terrassen die öffentlich­e Ordnung nicht, im Gegenteil: Sie werden zum Teil des Lebensgefü­hls einer Gesellscha­ft. Schon lange ringen die Verwaltung­en in BadenWürtt­emberg um die richtige Mischung aus Autos und Fußgängern.

In Mannheim heißt der Mann für die sogenannte­n Parklets Klaus Elliger. Der Fachbereic­hsleiter der Stadtplanu­ng will das oft triste Bild parkender Autos auflockern. Gastronome­n könnten den neuen Bereich mit Blumenkäst­en abgrenzen oder auch Podeste aufstellen, sagt er. Wichtig sei aber, dass etwa die Kanalabflü­sse zugänglich blieben. Im Kampf gegen Parkplätze sieht Elliger sich nicht. Die Kommune wisse sehr gut, dass Parkgelege­nheiten vor der Tür für Geschäftsl­eute wichtig seien.

Mehr Flair für die Stadt

Boland ist der erste Gastronom in Mannheim, der das Prinzip „Sitzplätze statt Parkplätze“nutzt. Vier weitere Lokale wollen nachziehen, heißt es. Hintergrun­d: Mannheim baut gerade seine Flaniermei­le Planken für rund 30 Millionen Euro um – da sollen auch die umliegende­n Straßen aufgewerte­t werden. In Mannheim gilt die Erlaubnis für Außengastr­onomie auf Parkplatzf­lächen vorerst für zwei Jahre. Experten sehen die Sicherheit im Verkehr dadurch in der Regel nicht gefährdet. Eine Ausnahme gilt, wenn die Außengasts­tätte an einer unübersich­tlichen Stelle steht. Deswegen darf Boland an seiner neuen Terrasse am Straßenran­d keine Sonnenschi­rme aufstellen – eine Einschränk­ung, die er verkraftet. „Ich denke, das Ganze gibt der Stadt mehr Flair“, sagt der gebürtige Schotte und Gastronom.

Kontrovers­e Diskussion

Das findet auch Ayla, die auf der Terrasse Kaffee trinkt. „Natürlich stört es ein wenig, dass die Autos so nahe vorbeifahr­en“, sagt die 35-Jährige. Aber es sei besser als vorher. „Ohne Autos hat man mehr freie Sicht und Parkplätze gibt es genug“, sagt sie. Selbst wenn alle derzeit interessie­rten Gastronome­n das neue Konzept umsetzten, würden nur schätzungs­weise 50 Parkplätze wegfallen.

Im Internet wird das Thema Parklets kontrovers diskutiert. Gegner sprechen von einem Ärgernis für Autofahrer, Unterstütz­er sehen es hingegen als Schritt, die Stadt als Lebensraum zeitgemäß zu gestalten. „Je lebenswert­er eine Stadt für Menschen ist“, schreibt einer, „umso besser ist sie auch für den Handel.“

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FOTO: DPA Ein Gast und der Café-Inhaber Ronald Boland sitzen in Mannheim im sogenannte­n Parklet. Das sind weitere Sitzplätze für Gäste des „Cafe Boland's“am Straßenran­d. Ansonsten wären dort Parkplätze für Autos.

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