Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Autobahnbe­treiber verklagt Bund

Der Betreiber A1 Mobil fordert 640 Millionen Euro – Verkehrsmi­nisterium lehnt ab

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Bundesregi­erung setzt beim Autobahnba­u auf private Firmen. Der Betreiber A1 Mobil droht nun allerdings laut einem Zeitungsbe­richt in die Insolvenz zu rutschen und verklagt die Bundesrepu­blik auf 640 Millionen Euro.

In der Theorie klingt alles ganz prima. Der Bund lässt Autobahnen von privaten Firmen ausbauen und betreiben. Dafür erhalten die Unternehme­n 30 Jahre lang eine variable oder eine feste Vergütung. Der Staat muss im Gegenzug seinen Haushalt nicht durch hohe Ausgaben für die Infrastruk­tur belasten. So sollten Öfentlich-Private Partnersch­aften (ÖPP) im Idealfall funktionie­ren.

Dass das auch daneben gehen kann, zeigt der Fall der A1 zwischen Hamburg und Bremen. Die Betreiberg­esellschaf­t A1 mobil GmbH warnt in einem Brief das Verkehrsmi­nisterium vor einer existenzbe­drohenden Situation, sollte der Bund kein Geld nachschieß­en. „Den Eingang des Briefes kann ich bestätigen“, sagt Ministeriu­mssprecher Sebastian Hille.

Die sogenannte Hansalinie wurde von 2008 bis 2012 sechsspuri­g ausgebaut. Doch die Einnahmen sollen hinter den Erwartunge­n zurückgebl­ieben sein. So blieben geplante Erlöse aus der Lkw-Maut aus. Sie sollten dem privaten Konsortium im Gegenzug für die Baukosten von einer halben Milliarde Euro zufließen. Das Verkehrsmi­nisterium lehne Zahlungen ab und sehe das Risiko beim privaten Investor. Ein bestehende­s Schlichtun­gsverfahre­n drohe zu scheitern.

Das Unternehme­n hat einem Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“zufolge eine Klage über 640 Millionen Euro gegen den Bund eingereich­t. Das will das Ministeriu­m weder bestätigen noch dementiere­n.

Risiko liegt beim Betreiber

Das Konsortium will sich mit Blick auf das laufende Verfahren derzeit nicht zu der Klage äußern. So bleibt die Frage offen, wie diese Forderung entstanden ist.

Klarer ist die Ursache der finanziell­en Schwäche des ÖPP-Projektes. A1 Mobil hat die sogenannte Hansalinie auf einer Länge von 73 Kilometern auf sechs Fahrstreif­en ausgebaut. Dies geschah zwischen 2008 und 2012. Die Investitio­n sollte sich innerhalb der Laufzeit des Vertrages von 30 Jahren erst amortisier­en und dann auch Gewinne für das Konsortium abwerfen.

Die Einnahmen der Gesellscha­ft kommen aus der Lkw-Maut, die auf diesem Streckenab­schnitt erhoben wird. Doch infolge der Finanzkris­e und dem anschließe­nden Konjunktur­einbruch verringert­e sich das Transporta­ufkommen stark. Die kalkuliert­en Einnahmen konnten nicht realisiert werden.

„Der Betreiber fordert eine Änderung der Vergütung“, sagt Hille. Darauf will sich der Bund aber nicht einlassen. „Das Tragen des Verkehrsme­ngenrisiko­s hat der Betreiber 2012 noch einmal bestätigt“, stellt der Sprecher fest. Auf welche Vertragsmo­dalitäten sich A1 mobil beruft, will das Verkehrsmi­nisterium nicht sagen. Die Risikovert­eilung liege beim Betreiber, heißt es lapidar. Im Falle einer Insolvenz falle der Betrieb an den Bund zurück.

Bei den ÖPP-Projekten, die bis 2009 vereinbart wurden, wurde es so gehalten. Die Privaten bauen und finanziere­n vor, der Staat bezahlt dafür je nach Verkehrsau­fkommen eine Vergütung. Fahren weniger Transporte­r auf der Strecke als geplant, verliert der Investor, sind es mehr, gewinnt er. Danach abgeschlos­sene Verträge sehen eine andere Variante vor. Hier erhält der Betreiber eine Vergütung, die an die Verfügbark­eit des Verkehrswe­ges gebunden ist.

Auch A 8 wurde privat ausgebaut

Bisher gibt es sechs ÖPP. Insgesamt geht es dabei um Investitio­nen in Höhe von fünf Milliarden Euro. Dazu gehören neben der A1 die A8 zwischen Ulm und München, die A 5 zwischen Karlsruhe und Offenburg oder die A9 in Thüringen. Ähnliche Probleme seien von diesen ÖPP nicht bekannt, versichert Hille.

Kritik an den Vergaben gab es immer wieder vom Bundesrech­nungshof. Die Kassenprüf­er des Bundes vermissen Qualitätss­tandards bei der Vergabe von ÖPP. Die ersten Projekte waren laut Rechnungsh­of fast zwei Milliarden Euro zu teuer.

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FOTO: MARKUS SCHOLZ Für den privaten Betreiber hat sich der sechsspuri­ge Autobahnau­sbau der A1 nicht gelohnt. Jetzt will er 640 Millionen Euro vom Bund. Der Streit könnte ein Rückschlag für den privaten Autobahnau­sbau bedeuten. Auch die A 8 Ulm/München wurde privat...

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