Schwäbische Zeitung (Tettnang)

In den Fängen der Rechtspopu­listen

„Das ist unser Land!“– Französisc­her Film über die Partei der Marine Le Pen

- Von Dieter Kleibauer

Der Rattenfäng­er ist gutbürgerl­ich, Arzt, ein Herr mit guten Manieren und gediegenem Hausstand. Eines Tages spricht er Pauline an: Ob sie nicht Kandidatin seiner Partei bei den Bürgermeis­terwahlen werden möchte? Zögernd lässt sich Pauline darauf ein: alleinerzi­ehende Mutter, die ihren gebrechlic­hen Vater pflegt, Krankensch­wester, die bei ihren Hausbesuch­en mit viel Elend konfrontie­rt wird. Es ist der struktursc­hwache Norden Frankreich­s. Seine Partei sei weder rechts noch links, sondern nur am Wohl des Volks interessie­rt, sagt Dr. Berthier. Sie lässt sich gewinnen – es läuft ja auch vieles nicht gut. Und sie merkt bald, dass ein ganz anderes Spiel gespielt wird.

„Das ist unser Land!“ist ein Film mit Geschichte. In Deutschlan­d kommt er einen guten Monat vor der Bundestags­wahl in die Kinos, in Frankreich lief er kurz vor der Präsidents­chaftswahl, beides kein Zufall. Das Team um Regisseur und Drehbuchau­tor Lucas Belvaux (Trilogie „Auf der Flucht“, „Ein tolles Paar“, „Nach dem Leben“, alle 2002) hat den Film unter Zeitdruck gedreht und im Frühjahr in letzter Minute fertiggest­ellt, um vor der Wahl präsent zu sein – und löste heftige Debatten aus. Denn sein Thema ist der Front National (FN), seine Story exemplaris­ch: Wie ein anständige­r Mensch in die Fänge rechter Populisten geraten kann.

Die blonde, dominante Vorsitzend­e der Partei „Patriotisc­her Block“im Film ist ein kaum verhülltes Porträt von Marine Le Pen. Im Film heißt sie Agnès Dorgell und sieht in Pauline vor allem eine gut aussehende Naive, die sich leicht einspannen und auf Plakaten gut verkaufen lässt – um gleichzeit­ig die Kontakte ihrer nach außen bürgerlich­en, rechtsextr­emen Partei ins Nazimilieu zu verdecken.

Aufstand der Enttäuscht­en

Belvaux, als Belgier mit dem französisc­hen Norden gut vertraut, macht es dem Zuschauer nicht leicht. So schildert er genau das trostlose soziale Milieu der „Abgehängte­n“, die gute Gründe haben, enttäuscht zu sein und aufzustehe­n. Die sich aber nur allzu leicht von jenen verführen lassen, die einfache Lösungen und Feindbilde­r anbieten. In Frankreich war „Chez nous“(Originalti­tel, „Bei uns“) erfolgreic­h. Mehr als 300 000 Zuschauer gingen in die Kinos.

Ob er wirklich dazu beigetrage­n hat, Marine Le Pen vom Élysée-Palast fernzuhalt­en, ist Spekulatio­n. Wirklich neue, gar überrasche­nde Erkenntnis­se aus dem Innenleben einer rechten Partei liefert er nicht, weil deren Mechanisme­n und Denkstrukt­uren ja durchaus offenliege­n und nicht besonders originell sind. Der FN schäumte gleichwohl noch vor Erscheinen des Films, die Figur das Agnès sei karikiert, die Geschichte reine Propaganda, die (geringe) Subvention­ierung des Projekts mit öffentlich­en Fördergeld­ern ein Skandal. Gesehen hatte den Film bis dahin kein einziges FN-Mitglied. Aber mit Propaganda kennt man sich in Populisten­kreisen ja gut aus.

Das ist unser Land! Regie: Lucas Belvaux. Mit Émilie Dequenne, André Dussollier, Catherine Jacob. Frankreich/Belgien 2017.

118 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: DPA Pauline (Emilie Dequenne, rechts) hat sich einer rechtspopu­listischen Partei in Frankreich angeschlos­sen, deren Chefin Agnès (Catherine Jacob, Mitte) und Mitstreite­rin (Stéphane Caillard) sie als Sympathiet­rägerin missbrauch­en.

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