Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Starregiss­eur unter Hausarrest

Serebrenni­kow darf nicht ausreisen – Stuttgarte­r Opernprodu­ktion gefährdet

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MOSKAU (dpa) - Künstler in Russland und im Ausland treten für Kirill Serebrenni­kow ein, doch es nutzt nichts: Die russischen Behörden lassen den Theatermac­her nicht frei.

Die russische Justiz hat den festgenomm­enen Starregiss­eur Kirill Serebrenni­kow wegen Betrugsvor­würfen unter Hausarrest gestellt. In dem in Russland wie im Ausland kritisiert­en Verfahren gegen den renommiert­en Theatermac­her verhängte eine Haftrichte­rin am Mittwoch den Freiheitse­ntzug. Dieser soll zunächst bis zum 19. Oktober gelten. Damit kann Serebrenni­kow nicht wie geplant ab September an der Staatsoper Stuttgart die Märchenope­r „Hänsel und Gretel“einstudier­en. Die Inszenieru­ng hätte am 22. Oktober die erste Opernpremi­ere der Saison sein sollen.

Die Richterin lehnte Serebrenni­kows Antrag ab, ihn auf freien Fuß zu setzen und weiter arbeiten zu lassen. Er müsse eine Fußfessel tragen. Die Verteidigu­ng kündigte Rechtsmitt­el an. Das Staatliche Ermittlung­skomitee wirft Serebrenni­kow vor, 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) staatliche­r Gelder unterschla­gen zu haben.

Unterstütz­er rufen „Schande!“

Unterstütz­er des regierungs­kritischen Künstlers im Gerichtssa­al riefen „Schande!“und skandierte­n seinen Namen, als der Spruch bekannt wurde. Auch vor dem Gebäude hatten sich mehrere Hundert Menschen versammelt, um ihre Solidaritä­t mit dem Leiter des Moskauer GogolTheat­ers zu bekunden.

Viele russische Kulturscha­ffende erklärten sich bereit, für Serebrenni­kow zu bürgen. Die Witwe des Literaturn­obelpreist­rägers Alexander Solscheniz­yn, Natalja Solscheniz­yna, die Schriftste­llerin Ljudmila Ulitzkaja, die Regisseure Fjodor Bondartsch­uk und Jewgeni Mironow und andere unterzeich­neten ein entspreche­ndes Schreiben.

In einer Online-Petition forderten mehr als 14 000 Menschen ein Ende des Verfahrens. Auch die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Bärbel Kofler, äußerte sich besorgt. Das Lettische Nationalth­eater in Riga, an dem Serebrenni­kow auch arbeitet, forderte eine Freilassun­g.

Der 47-Jährige erschien mit schwarzer Baseballka­ppe vor Gericht und machte aus dem Angeklagte­nkäfig heraus vor Kameras das Victory-Zeichen. „Natürlich möchte ich, dass man mich freilässt. Ich bekenne mich nicht schuldig“, sagte er. Die Vorwürfe seien absurd. Er war am Dienstag in St. Petersburg festgenomm­en worden, wo er einen Film über den sowjetisch­en Kult-Rockstar Viktor Zoi (1962-90) drehte.

Der Hausarrest bedeutet eine weitgehend­e Kontaktspe­rre: Serebrenni­kow darf kein Internet nutzen und keine Post verschicke­n. Über Ausnahmen vom Hausarrest entscheide­t der Ermittler. Bei dem Beschuldig­ten bestehe Fluchtgefa­hr, sagten Vertreter der Strafverfo­lgung und verwiesen gerade auf das Engagement in Stuttgart. Serebrenni­kow könnte auch versuchen, Beweise zu vernichten. Der russische Vize-Kulturmini­ster Alexander Schurawski sagte: „Hausarrest ist auf alle Fälle humaner als andere Formen des Freiheitse­ntzugs.“

Die Justiz sieht Serebrenni­kow als Drahtziehe­r in einem besonders schweren Fall von Betrug. Es geht um das staatlich geförderte „Platforma“in den Jahren 2011 bis 2014, um russisches Theater populärer zu machen. Serebrenni­kow und seine Mitarbeite­r in der Produktion­sfirma „Siebtes Studio“hätten zu hohe Kosten angesetzt und das restliche Geld unterschla­gen, teilten die Ermittler mit. Zwei Ex-Mitarbeite­r sitzen in U-Haft, darunter die Chefbuchha­lterin, die Serebrenni­kow in ihren Aussagen belastet hat. Ein dritter Kollege ist in Hausarrest.

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FOTO: DPA Die Verzweiflu­ng ist Kirill Serebrenni­kow ins Gesicht geschriebe­n, auch wenn er das Victory-Zeichen macht.

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