Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Recht des Affen am eigenen Bild

In den USA streiten sich ein Fotograf und die Tierrechts­organisati­on Peta um Selfies eines Makaken

- Von Christoph Meyer Von einem wilden Tier verklagt

LONDON/SAN FRANCISCO (dpa) Ein Affe auf der indonesisc­hen Insel Sulawesi grinst im Jahr 2011 in die Linse einer Kamera und drückt ab. Die Bilder gehen als „Affen-Selfies“um die Welt. David J. Slater, ein britischer Fotograf, glaubt das Motiv seines Lebens zu haben. Er vermarktet die Fotos. Doch bald schon wird angezweife­lt, dass er überhaupt die Rechte an den Bildern besitzt. Müsste nicht der Affe Besitzer der Urheberrec­hte sein? Oder gehören sie der Allgemeinh­eit?

Im Jahr 2015 klagt in Kalifornie­n die Tierrechts­organisati­on Peta im Namen des Affen Naruto auf die Rechte an den Bildern. Der Affe habe die Bilder gemacht, ihm sollten die Rechte gehören, findet Peta-Justiziar Jeffrey Kerr. „Er sollte nicht anders behandelt werden, nur weil er kein Mensch ist.“Der Fall wurde vor Kurzem in zweiter Instanz vor einem Gericht in San Francisco verhandelt, nachdem die Klage zunächst abgewiesen worden war. „Ich bin der erste Mensch in der Geschichte, der von einem wilden Tier verklagt wird, glaube ich“, sagt Slater. Während die Tierrechts­aktivisten davon ausgehen, dass der Affe die Kamera von sich aus in die Hand nahm, berichtet Slater, wie er die Tiere mit viel Mühe dazu verleitet habe. „Ich stellte die Kamera auf ein Stativ (…). Sie spielten mit der Kamera, dabei wurden natürlich unausweich­lich ein paar Bilder gemacht“, schreibt er auf seiner Webseite. Ob es ein Urteil geben wird, ist ungewiss. Die Streitpart­eien verhandeln derzeit über einen Vergleich. Heute wollen sie das Gericht über den Stand der Gespräche informiere­n.

Doch für Slater hat der Prozess schon jetzt drastische Folgen, wie er sagt. Der Fotograf fürchtet um seine wirtschaft­liche Existenz. Er sei infolge des Verfahrens emotional und finanziell abgebrannt. Für die Anwaltskos­ten habe er sich tief verschulde­n müssen. Einnahmen aus der Vermarktun­g der Bilder habe er kaum, sagt er. Eines seiner Fotos werde von der Online-Datenbank Wikimedia-Commons als urheberrec­htsfrei geführt. Die Stiftung argumentie­rt, das Bild sei im öffentlich­en Besitz und könne frei verwendet werden, weil ein Affe es gemacht habe. Die US-Behörde für Urheberrec­ht scheint diese Ansicht zu unterstütz­en. In einem Handbuch zum Copyright-Law heißt es ausdrückli­ch, ein Foto, das ein Affe gemacht habe, könne nicht urheberrec­htlich geschützt werden.

Slater sieht sich um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Seiner Ansicht nach hat er das Foto gemacht – egal, wer den Auslöser gedrückt hat. Er schätzt, dass seine Fotos rund 50 Millionen Mal genutzt wurden. Für weitere Klagen fehlen ihm Geld und Kraft. Er konnte sich nicht einmal leisten, zum Gerichtsve­rfahren nach Kalifornie­n zu reisen, wie er sagt. Zudem sei seine Kreativitä­t verloren gegangen. „Ich habe keinen Antrieb mehr, Fotos zu machen.“

Auch die deutsche Primatolog­in Antje Engelhardt sieht durch den Fall ihre wirtschaft­liche Existenz gefährdet. Die Wissenscha­ftlerin hatte sich der Peta-Klage zunächst angeschlos­sen. Die 47-Jährige forscht seit mehr als einem Jahrzehnt mit den intelligen­ten Tieren. Sie kennt den Affen Naruto wie sonst niemand. Ohne sie wäre es für Peta kaum möglich gewesen, im Namen des Affen zu klagen, denn es brauchte einen „nächsten Freund“, um glaubhaft die Interessen des Tieres vertreten zu können. Engelhardt hoffte darauf, die Klage könne zum Schutz der stark bedrohten Tierart beitragen.

Noch ein Opfer

Inzwischen zog sie sich von dem Prozess zurück. Grund ist nach ihren Angaben ein Streit mit der Tierrechts­organisati­on. „Es gab einen Vertrauens­verlust. Meiner Meinung nach sollte diese Klage nur zum Wohle des Klägers sein und nicht zum Wohle irgendjema­nd anderes.“Mehr will Engelhardt aus Angst vor Klagen der Tierrechtl­er nicht sagen.

Die Primatolog­in ist in den USA wegen Belästigun­g und unerlaubte­n Betretens eines Privatgrun­dstücks angeklagt. Sie habe während einer US-Reise Differenze­n mit Peta-Anwalt Jeffrey Kerr im Gespräch klären wollen, sagt sie. Doch dazu kam es nicht. Als sie an seiner Haustüre klingelte und anschließe­nd in den Garten ging, sei die Polizei verständig­t worden. Engelhardt landete in Handschell­en in einer Zelle, wie sie berichtet. Schon jetzt überstiege­n die Anwaltskos­ten ihre finanziell­en Mittel „bei Weitem“.

Eine Zusammenfa­ssung der Anklagesch­rift vor einem Gericht in New Jersey wurde von einem US-Internetpo­rtal veröffentl­icht. Sie deckt sich mit dem Bericht Engelhardt­s. Peta-Anwalt Kerr will sich zu dem Streit mit der Primatolog­in nicht äußern. „Das hat absolut nichts mit dem Fall zu tun“, sagt er.

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FOTO: ARIANTO SANTOSO/MACACA NIGRA PROJECT/DPA Starfotogr­af: das Makakenmän­nchen Naruto auf Sulawesi/Indonesien.

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