Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir konnten dort nicht mehr leben“

Ahmad erzählt im Gespräch von seiner Flucht und seinem neuen Leben in Deutschlan­d

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FRIEDRICHS­HAFEN - Vor eineinhalb Jahren ist Ahmad mit seiner Frau Walaa und seinen zwei Kindern (sechs Monate und 1,5 Jahre alt) aus Aleppo in Syrien nach Deutschlan­d geflohen. Lisa Willmann und Tabea Kuhlmann haben mit Ahmad gesprochen.

Was waren die Gründe für eure Flucht?

In meinem Land ist Krieg. Aber die Probleme des Kriegs waren nicht nur die Bomben, sondern es gab auch nur sehr wenige Ärzte, die manchmal bis zu zwei Stunden weit weg wohnten. Schulen und Kindergärt­en wurden geschlosse­n. Viele Schulen, Märkte und Kindergärt­en wurden zerbombt. Es war zu gefährlich und man konnte dort nicht mehr leben.

Wie habt ihr den Entschluss gefasst, zu fliehen?

Meine Frau und ich haben uns zusammenge­setzt, als unser Wohnvierte­l wieder und wieder beschossen wurde. Wir haben schnell den Entschluss gefasst, zu flüchten. Wir wollten nach Deutschlan­d.

Warum gerade Deutschlan­d?

Als erstes wussten wir, dass es in Deutschlan­d Demokratie gibt. Dann, dass die Menschenre­chtslage gut ist. Früher habe ich viele Geschichte­n über Deutschlan­d gelesen. Walaa hat im Abitur ein bisschen Deutsch gelernt.

Wie lief eure Flucht ab?

Wir haben 27 Tage von Syrien nach Deutschlan­d gebraucht. Von der Türkei nach Griechenla­nd sind wir mit einem Boot gefahren. Die Mafia hat gesagt, gegen viel Geld kommt man mit wenigen Menschen ins Boot. Also habe ich viel bezahlt, denn ich habe Familie. Als wir an das Boot kamen, war es ungefähr acht Meter lang und 46 Menschen waren darauf. Die Schlepper haben versproche­n, dass es nur 16 sind. Aber wir konnten nicht zurück. Am Vortag habe ich eine Medizin gekauft. Meine Frau und meine Kinder haben sie getrunken. So haben sie drei Stunden geschlafen und wenn das Boot untergegan­gen wäre, hätten sie es nicht mitbekomme­n. 20 Minuten bevor wir da waren, kam Wasser in das Boot. Wir sind auch viel gelaufen, weil es verboten war, mit dem Zug oder Bus zu fahren, da wir kein Visum hatten. Oft sind wir auf Wiesen und Feldern gelaufen. In Griechenla­nd hat uns die UN sehr geholfen, aber in Serbien oder Ungarn war es schwierig.

Wie habt ihr euch überall verständig­t?

Mit Englisch konnten wir uns gut verständig­en.

Was hattet ihr auf der Flucht dabei?

Im Rucksack auf der Flucht hatten wir Windeln, Milch und Schokorieg­el dabei. Sie sind klein, süß und sie geben viel Energie. Heute mag ich keine Schokorieg­el mehr essen. Außerdem hatten wir noch Wasser dabei.

Wollt ihr in Deutschlan­d bleiben oder nach dem Krieg wieder zurück in die Heimat?

Ich glaube, dass wir hier bleiben. Der Krieg wird in naher Zukunft nicht zu Ende sein. Auch der Wiederaufb­au in Syrien wird sehr lange brauchen. Unsere Kinder sprechen jetzt super Deutsch und wir sind auch mit unseren Sprachkurs­en und den Integratio­nskursen fertig. Ich mache noch einen Sprachkurs und dann kann ich den Master in Jura machen. Meine Frau will auch studieren, um hier Arabisch zu unterricht­en. Wir haben auch schon viele Freunde hier und unsere Kinder sind auch im Kindergart­en. Sie können sich nicht mehr an die Zeit in Syrien oder die Flucht erinnern.

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FOTO: DPA Ahmad kommt aus dem syrischen Aleppo. Die Stadt ist nach den Kämpfen fast komplett zerstört. Infrastruk­tur gibt es kaum noch – auch dieses Krankenhau­s wurde von Bomben getroffen.

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