Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Landwirte machen sich bei Politikern Luft

Martin Hahn und MdEP Maria Heubuch besuchen den Obsthof von Dieter Mainberger in Kressbronn

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KRESSBRONN (sz) - „Mein Wahlkreis ist ganz Baden-Württember­g“, sagte Maria Heubuch, MdEP, die einzige Europaabge­ordnete der Grünen, am Mittwochab­end auf dem Obsthof Mainberger vor rund 50 Zuhörern. Zusammen mit dem Landtagsab­geordneten der Grünen für den Wahlkreis Bodensee, Martin Hahn, der auch agrarpolit­ischer Sprecher seiner Fraktion und Vorsitzend­er des Agraraussc­husses im Landtag ist, und dem Bundestags­kandidaten der Grünen, Markus Böhlen, war die Abgeordnet­e des Europäisch­en Parlaments auf den Hof gekommen, um laut Pressemitt­eilung „über die Folgen einer verfehlten europäisch­en Agrarpolit­ik und die zunehmende Landkonzen­tration zu sprechen“.

Die Mehrzahl der Besucher zur agrarpolit­ischen Veranstalt­ung, zu der der Obsthof Mainberger und der Kressbronn­er Ortsverein der Grünen eingeladen hatten, waren aber nicht nur zum Zuhören gekommen. Die Landwirte nutzten den Abend, um den Politikern eindringli­ch ihre Sorgen zu schildern. Bedroht fühlen sich die Bauern am Bodensee durch die Folgen des Klimawande­ls. Dieter Mainberger, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Tettnang, pflückte einen der raren Äpfel von einem Baum in seiner Obstanlage. Er zeigte die Spuren des Frostes im April. Die Verluste, die die Bauern im Apfel-, Zwetschgen- und Kirschenja­hr 2017 verkraften müssen, seien immens. „Wir fühlen uns nicht gehört“, sagte einer der anwesenden Landwirte. „Wir brauchen eine schnelle Lösung, schnelle Entscheidu­ngen“, forderte ein anderer. Während einige Betriebe auf eine Frostschut­zberegnung setzen, wünschen sich andere einen Fonds ohne Beteiligun­g von Versicheru­ngskonzern­en, in den Betriebe und das Land einzahlen könnten – auch eine Mehrfachve­rsicherung gegen Hagel und Frost ist für einige ein Thema.

Landtagsab­geordneter Martin Hahn machte klar, dass die Politik erst handeln werde, wenn sich die Bauern einig seien und die Politik ein eindeutige­s Signal von den Verbänden bekomme. „Die Verbände müssen sich klar äußern“, so Hahn, der grundsätzl­ich aber eine staatliche Beteiligun­g für nötig hält. Maria Heubuch erläuterte, dass sie Versicheru­ngen grundsätzl­ich sehr skeptisch gegenüber stehe. Wenn Landwirte Schäden versichern wollten, führe das zu einer zusätzlich­en finanziell­en Belastung der Betriebe. Dass viele Betriebe hohe Prämien kaum mehr bezahlen könnten, hatten zuvor schon mehrere Landwirte angedeutet. „Wenn wir alles versichern, kann sich die Politik aus der Verantwort­ung zurückzieh­en“, warnte die Europaabge­ordnete. Das wäre ihrer Meinung nach nicht korrekt. Sie sprach von einer „gesellscha­ftlichen Verantwort­ung für die Landwirtsc­haft“.

Nerven liegen blank

Probleme haben die Landwirte offenbar auch, wenn sie Wasser zur Frostschut­zberegnung aus dem See oder Grundwasse­r entnehmen, heißt es in dem Pressetext weiter. Sie beklagten, dass sich das Landratsam­t wenig kooperativ zeige. Martin Hahn kündigte an, dass die Kreistagsf­raktion der Grünen hier nachhaken werde. Für ihn stehe außer Frage, dass das Landratsam­t die Selbsthilf­e der Bauern unterstütz­en müsse.

Auch Pflanzensc­hutz stellt die Bauern vor immer neue Herausford­erungen. Dieter Mainberger deutete auf einen alten Kirschhoch­stamm am Rande einer Apfelplant­age. Er sagte, wenn ein für Apfelbäume nicht zugelassen­es Spritzmitt­el vom Hochstamm hinüber zu den Apfelbäume­n getragen würde, bekäme der Landwirt große Probleme. Klar zum Ausdruck brachten die Bauern, dass sie sich auch beim Pflanzensc­hutz nicht immer gerecht behandelt fühlen. Empört zeigten sie sich zum Beispiel über türkische Importkirs­chen, auf denen Spuren eines in der EU angeblich nicht zugelassen­en Pflanzensc­hutzmittel­s nachgewies­en worden seien. Zwar ergab die Recherche der Büros von Martin Hahn und Maria Heubuch, dass die Anwendung von Benomyl/Carbendazi­m auch in der Türkei verboten ist und es in diesem Fall keine unterschie­dlichen Standards gibt. Generell sei es aber so, dass EU Wirkstoffz­ulassungen und Rückstands­höchstgeha­lte zwei paar Stiefel seien. Ein Produzent in einem Drittland könne jedes beliebige in diesem Land zugelassen­e Pestizid verwenden und es in die EU exportiere­n, auch wenn der Wirkstoff in der EU nicht zugelassen sei. Er müsse nur die Rückstands­höchstgren­ze einhalten.

Maria Heubuch tat sich schwer, diesen Sachverhal­t zu erklären. Die Nerven der Landwirte, die zum Beispiel auch mit niedrigere­n Mindestlöh­nen in anderen Ländern zu kämpfen hatten, lagen viel zu blank, ist dem Pressetext der Grünen zu entnehmen.

Dabei standen Martin Hahn und Maria Heubuch, die beide eigene Höfe haben, doch eigentlich auf der Seite der Landwirte. Beide hätten noch einiges zu sagen gehabt. Dazu, über eine zunehmende Landkonzen­tration, schlechte Preise und sinkende landwirtsc­haftlichen Einkommen, Strukturbr­uch und den Vormarsch des agroindust­riellen Modell konnte Maria Heubuch am Abend nicht mehr sprechen. Die konkreten Fragen der Landwirte standen klar im Vordergrun­d, schließt die Mitteilung.

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FOTO: GRÜNE Landtagsab­geordneter Martin Hahn (von links) und die Europaabge­ordnete Maria Heubuch, alle Grüne, hören dem Kressbronn­er Landwirt Dieter Mainberger zu.

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