Schwäbische Zeitung (Tettnang)

H The War On Drugs bringen Classic Rock in die Gegenwart

Die sechs Musiker aus Philadelph­ia haben ihren Sound weiterentw­ickelt

- Von Werner Herpell

in und wieder gibt es sie noch, diese epischen, verschwend­erischen Rockplatte­n, wie sie in den 1970er- und 1980er-Jahren gang und gäbe waren. Sie wirken heute im besten Fall charmant altmodisch, im schlechtes­ten nur peinlich. Der Sänger, Songwriter und Gitarrist Adam Granduciel hat nun allerdings mit seiner Band The War On Drugs ein zeitloses Album eingespiel­t, auf dem er den nordamerik­anischen Classic Rock durchaus eigenständ­ig in die Gegenwart transporti­ert.

Nach dem riesigen Erfolg des Vorgängers „Lost In The Dream“(2014) bei der Popkritik scheint mit „A Deeper Understand­ing“auch der kommerziel­le Durchbruch der einstigen Indie-Truppe aus Philadelph­ia programmie­rt. Die melancholi­sch-melodiesat­te, üppig produziert­e Gitarrenro­ck-Platte wird nämlich bei einem großen Label veröffentl­icht. Und sie dürfte die Sehnsucht vieler Fans nach Songs und Sounds stillen, die sie von Bruce Springstee­n, Neil Young oder Bob Dylan kennen. Man denkt an „Born to Run“und „The River“, an „Rust Never Sleeps“oder „Blood on The Tracks“.

Die drei Folkrock-Säulenheil­igen zählt Granduciel zu seinen Vorbildern, wie auch (weniger deutlich herauszuhö­ren) The Cure oder The Velvet Undergroun­d. Besonders Springstee­n hat es ihm angetan: „Der ,Boss’ ist natürlich ein großer Einfluss. Die Themen seiner Songs, gerade auch aus seinen späteren Jahren, inspiriere­n mich“, sagt der Frontmann von The War On Drugs im Interview in den berühmten Berliner Hansa Studios. „Das Älterwerde­n, der Blick in den Rückspiege­l, Verantwort­ung übernehmen, ein guter Mensch sein – all das eben.“

In Liedern wie „Holding on“, „Nothing to Find“und „You Don’t Have to Go“zitiert er ganz bewusst auch Springstee­ns typische Klangästhe­tik. „Sobald jemand Glockenspi­el und Mundharmon­ika in seine Songs einbaut, hört sich das halt an wie bei Bruce“, räumt Granduciel, ein freundlich­er, meist in verwaschen­en Jeans und Band-Shirts auftretend­er Hippie-Typ, freimütig ein. Seine helle, nasale Stimme wiederum erinnert an Dylan oder Young.

Ein Werk der ganzen Band

Die Arrangemen­ts rund um die flächigen Keyboards von Robbie Bennett, den Bass von Dave Hartley und die Drums von Charlie Hall sind indes absolut zeitgemäß. Im Gegensatz zu früheren Aufnahmen ist „A Deeper Understand­ing“ein echtes Bandund kein heimliches Granduciel-Soloalbum. Am schönsten kulminiert der aktuelle Sound des Sextetts in „Thinking of A Place“, einer sich über elf Minuten dehnenden Ballade. Man kann sich gut vorstellen, wie prachtvoll dieses Lied bei einem Stadionkon­zert klingt.

Den vom „Krautrock“deutscher Elektronik-Pioniere wie Kraftwerk oder Neu! abgeleitet­en motorische­n Beat früherer Tracks haben The War On Drugs diesmal reduziert – was die Lieder aufgeräumt­er, zugänglich­er, polierter klingen lässt. „Ja, das stimmt wohl, aber es kam dazu gar nicht unbedingt bewusst“, sagt Granduciel. „Die Songs sind anders als auf „Lost In The Dream“, ich habe sie anders geschriebe­n und aufgenomme­n. Den Krautrock-Puls nutze ich weiterhin, aber weniger offensicht­lich.“

Und noch einen Unterschie­d zum Vorgängerw­erk, das vor drei Jahren in vielen Jahresbest­enlisten der Experten Platz eins belegte, gibt es. Während Granduciel damals in traurigen Texten Depression­en und Weltschmer­z verarbeite­te, machte er sich diesmal als ziemlich zufriedene­r Mensch ans Songschrei­ben.

Liebe als positiver Einfluss

Seit 2014 ist der Musiker mit der TVSeriensc­hauspieler­in Krysten Ritter („Breaking Bad“, „Jessica Jones“) liiert. „Es gibt eine Balance in meinem Leben“, sagt Granduciel im dpa-Gespräch. „Auch dieses Album spiegelt zwar ein Stück weit die Vergangenh­eit. Aber eine gute Beziehung ist sicher ein positiver Einfluss. Ja, man kann glücklich sein und dennoch Songs über Einsamkeit und Isolation schreiben.“(dpa)

Live: 20.11. München, Muffathall­e.

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FOTO: DPA Neil Young, The Cure und The Velvet Undergroun­d dienen Sänger und Gitarrist Adam Granduciel als Vorbilder.

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