Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit Brille wär das nicht passiert
Jetzt also doch. Kretsche und die CDU. Nein, nicht der Ex-Handballer, sondern der Noch-MP. „Uns Winfried“, der s’Ländle seit 2011 grün regiert und in seiner Spätphase nicht nur vom Habitus her der Bundespräsidentschaft, sondern inhaltlich an so manchem Punkt eh schon der CDU-Nähe verdächtig erschien.
Und jetzt das. Lächelt er doch im Wahlkreis 293 Bodensee staatsmännisch von den Plakaten mit dem schwarzrotgoldenen Streifen und dem roten CDU-Logo.
Das sei er gar nicht, sagen Sie? Ich werde doch wohl – auch ohne Brille – meinen Landesvater erkennen. Grauer Anzug, hohe Stirn, gütiges Lächeln, dazu die Erkenntnis „Erfahrung zählt“– das alles ebenso leicht abgesoftet wie einzigartig.
Nix einzigartig, sagen Sie? Riebsamen? Lothar? Bundestagswahl?
Je näher ich drangehe: tatsächlich, Sie haben recht. Spätestens mit der komplett schwarz umrandeten Brille ist es klar – nix Kretschmann. Und dabei wäre es eine so schöne Geschichte gewesen.
Davon abgesehen: Was ist die tiefere Botschaft, die sich aus dieser Verwechslung transportieren ließe? Dass sich Politiker immer ähnlicher werden? Dass mit zunehmender Distanz die Unterschiede zwischen Grün und Schwarz verschwimmen? Dass die Rot-Grün-Schwäche nur in farblicher Hinsicht der Weisheit letzter Schluss ist?
Fragen über Fragen, die mit dem 24. September längst nicht aus der Welt sind. Hilft nur dranbleiben und SZ lesen. Und die Brille von der Reparatur abholen.