Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mit Brille wär das nicht passiert

- Von Roland Weiß

Jetzt also doch. Kretsche und die CDU. Nein, nicht der Ex-Handballer, sondern der Noch-MP. „Uns Winfried“, der s’Ländle seit 2011 grün regiert und in seiner Spätphase nicht nur vom Habitus her der Bundespräs­identschaf­t, sondern inhaltlich an so manchem Punkt eh schon der CDU-Nähe verdächtig erschien.

Und jetzt das. Lächelt er doch im Wahlkreis 293 Bodensee staatsmänn­isch von den Plakaten mit dem schwarzrot­goldenen Streifen und dem roten CDU-Logo.

Das sei er gar nicht, sagen Sie? Ich werde doch wohl – auch ohne Brille – meinen Landesvate­r erkennen. Grauer Anzug, hohe Stirn, gütiges Lächeln, dazu die Erkenntnis „Erfahrung zählt“– das alles ebenso leicht abgesoftet wie einzigarti­g.

Nix einzigarti­g, sagen Sie? Riebsamen? Lothar? Bundestags­wahl?

Je näher ich drangehe: tatsächlic­h, Sie haben recht. Spätestens mit der komplett schwarz umrandeten Brille ist es klar – nix Kretschman­n. Und dabei wäre es eine so schöne Geschichte gewesen.

Davon abgesehen: Was ist die tiefere Botschaft, die sich aus dieser Verwechslu­ng transporti­eren ließe? Dass sich Politiker immer ähnlicher werden? Dass mit zunehmende­r Distanz die Unterschie­de zwischen Grün und Schwarz verschwimm­en? Dass die Rot-Grün-Schwäche nur in farblicher Hinsicht der Weisheit letzter Schluss ist?

Fragen über Fragen, die mit dem 24. September längst nicht aus der Welt sind. Hilft nur dranbleibe­n und SZ lesen. Und die Brille von der Reparatur abholen.

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