Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hallo Fräulein

- Von Roswitha Stumpp

Was macht man, wenn man im Restaurant oder Café dringend bezahlen möchte, die Bedienung einem aber den Rücken zuwendet oder das Winken nicht bemerkt? Darf man da nicht doch und ausnahmswe­ise mal „Fräulein“rufen, auch wenn das „Fräulein“im Jahr 1971 offiziell abgeschaff­t wurde? Diese Frage stellte sich mir jedenfalls neulich in Kressbronn. „Mein schönes Fräulein darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“, lässt Goethe seinen Faust das Gretchen fragen. Ach - mich hat man nie so schön gefragt! Mir hätte das schon auch gefallen. Aber Fräulein soll man ja nicht mehr sagen. In den Richtlinie­n zur Vermeidung sexistisch­en Sprachgebr­auchs wurde sogar ein vollständi­ger Verzicht auf den Gebrauch des Wortes Fräulein gefordert. War die Anrede Fräulein einst nur für junge Damen von Stand bestimmt, galt die Anrede später allgemein für unverheira­tete Frauen, egal wie alt. In der Deutschen Demokratis­chen Republik gab es noch bis zur Wende die „Fräuleins“, in der BRD wurde das „Fräulein“am 16. Februar 1971, zumindest im Amtsdeutsc­h, abgeschaff­t. Frankreich zog 41 Jahre später nach und verabschie­dete sich 2012 von „Mademoisel­le“, allerdings auch nur im behördlich­en Schriftver­kehr. Ich hätte übrigens gerne länger in Kressbronn verweilt: ein warmer Spätsommer­abend, der See, der baldige Sonnenunte­rgang und ein dazu passender Cocktail. Eigentlich traumhaft, wenn, ja wenn die Parkuhr nicht abgelaufen wäre. Mehr Geld für eine hungrige Parkuhr als für einen Sonnenunte­rgangsdrin­k am See? Das „Fräulein“hat mein Winken dann doch noch rechtzeiti­g bemerkt.

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