Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Verdiente Ovationen

- Von Sabine Lennartz ●» s.lennartz@schwaebisc­he.de

Gregor Gysi hat Recht mit seiner Feststellu­ng: Norbert Lammert war nie parteiisch und nie der verlängert­e Arm irgendeine­r Koalition. Und das allein ist schon bemerkensw­ert. Norbert Lammert war immer er selbst. Ein leidenscha­ftlicher Bundestags­präsident, der auf die Rechte des Parlaments pochte und die Abgeordnet­en ermutigte, sie wahrzunehm­en. Und der selbst sein Amt – zumindest zumeist – mit höchstem Vergnügen ausübte. Da er darüber hinaus nicht nur hochintell­igent, sondern auch noch ein Ausnahmeta­lent als Redner ist, der mit Ironie und Humor seine Zuhörer fesseln kann, wird er fehlen. Nein, fehlt er jetzt schon.

Dass Abgeordnet­e Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfe­n sind, daran hat Lammert die Parlamenta­rier noch einmal erinnert. Er selbst lebt diese Unabhängig­keit. Er lebt sie so, dass es sein kann, dass dies der Grund war, dass ihn die Union nicht für das Amt des Bundespräs­identen vorschlug. Doch Norbert Lammert hat bei mancher Gelegenhei­t dem Parlament gezeigt, wie gut er vermutlich auch diese Rolle ausgefüllt hätte – und mitunter hat er auf diese Art auch andere Redner um so schwächer erscheinen lassen. Was dann so manchem weniger gefiel als dem Publikum.

Ob er eine Verkleiner­ung des Bundestags forderte oder weniger Grundgeset­zänderunge­n – die Präzision seiner Analysen, verträglic­h gemacht durch feinen Humor, überzeugte­n immer wieder. Auch in seiner Abschiedsr­ede. Er hat Bürger ermuntert zu wählen, und Gewählte ermahnt, ihr Amt ernst zu nehmen und die Kontrolle der Regierung mit mehr Eifer wahrzunehm­en.

Lammert fand auch diesmal, ein letztes Mal als Parlaments­präsident, den richtigen Ton. Er geht ohne Sentimenta­lität, und seine Politikerk­ollegen wissen, dass sie sich noch auf die eine oder andere Wortmeldun­g von ihm einstellen sollten. Das Parlament hat ihn mit stehenden Ovationen verabschie­det. Es gibt nur weniger Politiker, die diese so verdienten wie Norbert Lammert.

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