Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ex-VfB-Star Werner

Von der Reizfigur zum deutschen Stürmer Nummer 1

- Von Patrick Strasser

STUTTGART - Der Typ, genauer dieser Spielertyp, hat Joachim Löw gerade noch gefehlt. Tatsächlic­h. Mit Timo Werner, dem Jungen aus Bad Cannstatt, ist die deutsche Nationalma­nnschaft nun komplett. Sie hat nun einen Stürmer, der neuzeitlic­hen Anforderun­gen entspricht. Keine sogenannte „Falsche Neun“wie Mario Götze oder Marco Reus, beide zudem verletzung­sanfällig, kein Mittelstür­mertyp der Marke Brechstang­e wie der andere Mario, wie Mario Gomez. Timo Werner, 21 Jahre jung, ist der All-in-One-Angreifer des Landes.

Nach dem locker-flockigen 6:0 (4:0) am Montag in der WM-Qualifikat­ion gegen Norwegen samt zweier höchst unterschie­dlicher WernerTore (ein Abstauber, ein Kopfball), von denen sich Werner das zweite mit einem Ballgewinn nach einem seiner herrlichen Gewaltläuf­e auch selbst erst ermöglicht hatte, referierte Löw über Werner: „Timo macht das, was dem Gegner extrem weh tun, was extrem schwer zu verteidige­n ist: Er hat einen brutalen Zug zum Tor und Schnelligk­eit.“

Und nochmal, falls jemand es nicht verstanden hat:„Was er für Wege macht, ist schon klasse. Der Zug, immer an vorderster Stelle zu sein, zeichnet ihn aus. Ich hoffe, dass er das beibehält.“Und Löw zum Dritten: „Das ist extrem schwer zu verteidige­n.“Frag’ nach bei den Norwegern.

Ohne ihre Namen zu nennen, sagte Löw über Gomez oder Sandro Wagner, sie seien „andere Stürmertyp­en, die Anspielsta­tion sind und die Bälle halten“. Mit ihnen kann man also nicht wirklich kombiniere­n. Flanken ja, Doppelpäss­e jein. Werner dagegen geht in die Tiefe, in alle Winkel des Platzes, er „läuft ständig quer und steil, das ist für unser Kombinatio­nsspiel sehr gut“, ergänzte Löw, „da kann man Bälle auch wieder hinter die Abwehr spielen.“Man heißt: Mesut Özil, Julian Draxler, Thomas Müller, Toni Kroos. Die Zulieferer aus dem Mittelfeld haben nun den idealen Spielkamer­aden.

Einen „ganz feinen Kerl“wie Mats Hummels betonte. Einen, der mit dem Erlebnis Stuttgart, mit seinen Toren fünf und sechs im erst achten Länderspie­l seinen Wendepunkt im Nationaltr­ikot erlebt haben dürfte. Schmähgesä­nge wegen einer Schwalbe? Beleidigun­gen, weil er für RB Leipzig stürmt? Sind was für (ewig) Gestrige. Im Ländle, in seiner Heimat, wurde eines der zweifellos größten VfB-Talente der Geschichte, der aber eben auch für den Abstieg des Clubs steht, gefeiert wie nie zuvor. „Danke an die Fans! Es war so herzlich, ich wurde so toll begrüßt wie früher. Man spielt viel, viel lieber, wenn man von den eigenen Fans bejubelt statt ausgepfiff­en wird“. Fürwahr.

Werner ist nun Löws Stürmer Nummer 1 mit Blick auf die WM 2018 in Russland. Das akzeptiert selbst Gomez, der nun Werners Stellvertr­eter ist. „Timo wird die nächsten zehn Jahre den deutschen Sturm dominieren und auch in Europa, wenn er so weitermach­t“, sagte der andere frühere VfB-Goalgetter in der ohnehin von früheren Brustringk­ickern dominierte­n Nationalma­nnschaft. Gomez weiter: „Der ist so klar in der Birne, das ist grandios, das ist einfach nur verdient, deswegen habe ich mich wahnsinnig für ihn gefreut.“

Inklusive Gänsehaut, als die Fans Werners Namen riefen. Hat man jemals einen Profi so selbstlos und fair sprechen gehört, der gerade endgültig seinen Stammplatz verloren hat? Gomez, der das 6:0 per Kopf erzielte, ist ebenfalls einer der Gewinner des Sturm-der-Liebe-Abends von Stuttgart.

Bei so viel Begabung und dem Kübel Lob aus dem Munde von Löw dürfte Bundesstür­mer-Trainer Miroslav Klose, an vorderster Mannschaft­sfront 2014 in Brasilien Weltmeiste­r, erblassen. Die Anlagen eines Werner hatte selbst Klose nicht. Wobei der Jüngere eines nicht drauf hat: den Salto. Fliegen kann er, das ja. Aber lassen wir das. Schnee von letzter Saison.

Heute und in Zukunft ist WernerZeit. Als der Bundestrai­ner, es ging schon gen Dienstag, in der MixedZone der Stuttgarte­r Arena von einem TV-Reporter gebeten wurde, für die Leistung seiner neuen Wunderwaff­e eine Überschrif­t aus einem Wort zu finden, grinste Löw wissend. Er zögerte kurz, schmunzelt­e und antwortete dann: „Rakete.“

„Timo wird die nächsten zehn Jahre den deutschen Sturm dominieren. Und auch in Europa, wenn er so weitermach­t.“

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FOTO: DPA
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FOTO:S DPA, IMAGO Schnell, engagiert, torgefährl­ich:Timo Werner war gegen Norwegen bester Mann. Auch Mario Gomez (unten li.) war beeindruck­t.

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