Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Per Tram durch den Englischen Garten

Nach jahrzehnte­langer Blockade wird das umstritten­e Nahverkehr­sprojekt wahrschein­licher

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - In München gibt es ein Heiligtum, das ganze 375 Hektar groß ist: Kein Grashalm im Englischen Garten, der grünen Lunge der Stadt, darf geknickt werden. So ist es zu erklären, dass eine Trambahnli­nie als Chefsache auf dem Schreibtis­ch von Ministerpr­äsident Horst Seehofer landete.

Als „Tram-Bähnchen“verniedlic­hte Seehofer zwar vor einigen Wochen die Aufregung um das Straßenbah­nprojekt. Aber das „Bähnchen“war ihm doch wichtig genug, am vergangene­n Donnerstag zusammen mit dem Münchener Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) und dem Münchener CSU-Vorsitzend­en und bayerische­n Kultusmini­ster Ludwig Spaenle vergangene Woche vor Ort einen Abendspazi­ergang in Medienbegl­eitung zu unternehme­n.

Und darum geht es: Der Freistaat Bayern ist Eigentümer des berühmten 1789 gegründete­n Landschaft­sparks an der Isar, der zu einem wesentlich­en Teil den Freizeitwe­rt der bayerische­n Landeshaup­tstadt ausmacht. Seit mehr als 20 Jahren denken die ÖPNV-Planer darüber nach, eine knapp einen Kilometer lange Straßenbah­nlinie von Schwabing zum Chinesisch­en Turm durch den Garten zu bauen, um die sogenannte „Tram-Nordtangen­te“zu verwirklic­hen. Diese gilt als wichtig, um die sämtlich ins Stadtzentr­um führenden U- und S-Bahnen zu entlasten.

20 Jahre lang sagte die staatliche Schlösser- und Seenverwal­tung, eine dem bayerische­n Finanzmini­sterium nachgeordn­ete Behörde, kategorisc­h Nein zu Gleisen durch den Garten, obwohl in der dafür vorgesehen­en Trasse bereits eine bis zu elf Meter breite Asphaltstr­aße verläuft. Diese teilen sich Radfahrer mit Linienbuss­en. Anstelle der Straße sollen nach den Planungen der Münchener Verkehrsge­sellschaft (MVG) Rasengleis­e, daneben ein breiter Radweg verlaufen. Eine Oberleitun­g ist wegen des vorgesehen­en Einsatzes von Akku-Straßenbah­nen nicht nötig.

Vor einigen Wochen kam die überrasche­nde Wende. Ministerpr­äsident Seehofer, allerobers­ter ParkHerr, ließ wissen, dass der jahrzehnte­lange Widerstand gegen die Garten-Bahn aufgegeben werde. Das war eine Ohrfeige für seinen Kultusmini­ster Spaenle, der wiederum als oberster Denkmalsch­ützer des Freistaats bis dato strikt gegen die Garten-Tram war. Schon lief die Gerüchtekü­che warm: Läßt Seehofer Spaenle fallen? Hatte er sich nicht schon darüber geärgert, wie sein Schulminis­ter die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium gemanagt hatte?

Doch wenige Stunden nach dem Abendspazi­ergang im Englischen Garten gab es auf einer Veranstalt­ung eine Jobgaranti­e für Spaenle aus dem Munde seines Chefs: Bei der geplanten Umbildung seines Kabinetts „wird Ludwig Spaenle Minister bleiben“, versprach Seehofer. Spaenle wiederum rückte ein Stück von seinem strikten Nein gegenüber der Garten-Tram ab. Am Dienstag gab nun der bayerische Ministerra­t grünes Licht – freilich nicht schon für die Trambahn, sondern für die „Aufnahme von Planungen“, die auch eine Tramstreck­e umfassen. Damit ist die Tür zu der lange von der Münchener Verkehrsge­sellschaft angestrebt­en Garten-Tram schon einmal ein Stück geöffnet.

Die Stadt München soll jetzt die Vorteile von Elektrobus und AkkuTram gegeneinan­der abwägen. „Eine endgültige Beschlussf­assung des Ministerra­ts erfolgt nach Abschluss der Meinungsbi­ldung und Planungen durch die Landeshaup­tstadt München“, heißt es in dem Beschluss. Kritische Stimmen seien nicht laut geworden, teilte Staatskanz­leiministe­r Marcel Huber anschließe­nd mit.

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FOTO: SWM/MVG/OH Visualisie­rung der Akku-Straßenbah­n im Englischen Garten.

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