Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Parteienpr­ogramme zum Thema Innere Sicherheit

-

„Die Union ist und bleibt die Partei der inneren Sicherheit“, stellen CDU und CSU in ihrem Wahlprogra­mm klar. Die Unionspart­eien planen ein Musterpoli­zeigesetz für alle Länder, um bundesweit ein einheitlic­hes Sicherheit­sniveau zu erreichen. Das Gemeinsame Terrorabwe­hrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern in Berlin soll gestärkt werden. Die Union verspricht 15 000 neue Polizeiste­llen in Deutschlan­d. In „besonderen Gefährdung­slagen“soll die Bundeswehr die Polizei unterstütz­en können. In Einkaufsze­ntren, vor Stadien und an Verkehrskn­otenpunkte­n soll die intelligen­te Videoüberw­achung eingesetzt werden, auch zur Fahndung. Außerdem wollen CDU und CSU die Schleierfa­hndung auf ganz Deutschlan­d ausdehnen. Ermittler sollen DNA-Spuren auch zur Ermittlung des äußeren Erscheinun­gsbildes, der Herkunft oder des Alters eines Straftäter­s oder Verdächtig­en heranziehe­n dürfen. Die Union stellt ein neues Datengeset­z in Aussicht, das den Sicherheit­sbehörden den Zugang zu Datenbanke­n erleichter­n soll. Ein weiteres Ziel beider Parteien ist der bessere Schutz vor Cyberangri­ffen.

Auch die SPD fordert in ihrem Programm einen „starken und handlungsf­ähigen Rechtsstaa­t“, weswegen sie wie die Union 15 000 neue Polizeiste­llen verspricht. Zusätzlich wollen die Sozialdemo­kraten noch Bundeskrim­inalamt, Gerichte und Staatsanwa­ltschaften stärken. Überstunde­n bei der Bundespoli­zei sollen abgebaut, der Zoll zu einer „effektiven Finanzpoli­zei des Bundes“weiterentw­ickelt werden. Anders als die Union lehnt die SPD die „Militarisi­erung der öffentlich­en Sicherheit“ab. Das bedeutet: Die Bundeswehr werde nicht „über das zulässige Maß hinaus“als „Hilfspoliz­ei im Inland“eingesetzt. Eher vage sind die SPDPläne bei der Videoüberw­achung: Wo sie helfe, Gefahren vorzubeuge­n, solle sie eingesetzt werden. Die Sozialdemo­kraten wollen die Geheimdien­ste reformiere­n und ein europäisch­es Antiterror­zentrum nach dem Vorbild des GTAZ aufbauen. „Mit der Initiative zum Aufbau einer europäisch­en Staatsanwa­ltschaft werden wir dafür sorgen, dass in der EU künftig Straftaten über Staatsgren­zen hinweg effektiver verfolgt werden können“, stellt die Partei zudem klar. Sie will Ausländer, die schwere Straftaten begehen, nach Verbüßung ihrer Strafe „unverzügli­ch abschieben“.

Aus der Sicht der Linken geraten die „Grund- und Bürgerrech­te“in Deutschlan­d immer wieder unter Druck, der öffentlich­e Raum werde „im Namen der Sicherheit einer permanente­n Überwachun­g unterworfe­n“. Dagegen will die Partei ankämpfen. Sie lehnt eine Vielzahl der polizeilic­hen Maßnahmen wie Vorratsdat­enspeicher­ung, Online-Durchsuchu­ngen, Videoüberw­achung, Späh- und Lauschangr­iffe sowie Rasterfahn­dung ab. Die Linke will den Verfassung­sschutz „und perspektiv­isch alle Geheimdien­ste“abschaffen, weil sie „Fremdkörpe­r in einer Demokratie“seien. Sie verspricht die Beseitigun­g des Personalma­ngels bei der Polizei, nennt aber keine konkrete Zahl. Die Partei will die Whistleblo­wer schützen, die die Öffentlich­keit über Missstände informiere­n. Der Waffenbesi­tz soll nach ihren Vorstellun­gen strenger reglementi­ert und für Privatpers­onen nahezu ausgeschlo­ssen werden. Die Privatisie­rung der Sicherheit durch Ordnerdien­ste will die Linke verhindern oder rückgängig machen. Sie will zudem, das die Polizei nicht länger „Bagatellde­likte“wie illegale Einreise, Drogenkons­um oder Schwarzfah­ren verfolgt: „So wird sie besser für Bürgerinne­n und Bürger ansprechba­r.“

Die Grünen kritisiere­n die „maßlose Politik immer weitreiche­nderer Grundrecht­seingriffe“in Deutschlan­d, die die Freiheit der Bürger schwäche. So gehen die Datensamml­ungen der Sicherheit­sbehörden ihnen entschiede­n zu weit. Es sei wirksamer, gezielt einige Hundert Personen zu überwachen, als

„80 Millionen Bürgerinne­n und Bürger anlasslos mit der Vorratsdat­enspeicher­ung, flächendec­kender Videoüberw­achung oder automatisi­erter Gesichtser­kennung zu erfassen.“Diese lehnt die Partei ab, aber nicht komplett: Videoüberw­achung könne unter strikten Auflagen an Gefahrensc­hwerpunkte­n eine unterstütz­ende Maßnahme sein. Die Grünen wollen die Polizei personell (und durch mehr Beamten mit Migrations­hintergrun­d) stärken, legen sich dabei aber nicht auf konkrete Zahlen fest. Nach ihrer Vorstellun­g soll das ineffizien­te Bundesamt für Verfassung­sschutz aufgelöst und komplett neu aufgebaut werden. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist für die Partei tabu. Als Reaktion auf die hohen Einbruchsz­ahlen wollen die Grünen schließlic­h private Schutzmaßn­ahmen fördern und im Mietrecht Sicherheit­seinbauten erleichter­n.

Für die FDP darf es keine „anlasslose ● Erhebung von personenbe­zogenen Daten“geben – darum lehnt die Partei die Vorratsdat­enspeicher­ung, Fluggastda­tenerhebun­g und automatisc­he Kennzeiche­nerfassung mit dauerhafte­r Speicherun­g ab. Generell soll es keine „lückenlose Überwachun­g unbescholt­ener Bürger“geben. Wenn schon der Staat Daten speichert, soll jeder Betroffene die Verfügungs­gewalt darüber haben. Die Videoüberw­achung soll nach dem Willen der Freien Demokraten „verantwort­ungsvoll“, sprich dosiert und gut begründet, eingesetzt werden. Die Partei will mehr Geld für Polizei und Justiz bereitstel­len. Sie verspricht, die Digitalisi­erung der Behörden voranzutre­iben. So sollen Polizisten im Außeneinsa­tz mit Smartphone­s oder Tablets ausgestatt­et werden, um die Personalie­n überprüfen zu können. Zur Entlastung der Polizei will die FDP unter anderem den Bluttest bei unfallfrei­en Trunkenhei­tsfahrten abschaffen. Sie fordert eine schärfere Kontrolle über die Sicherheit­sbehörden und deren „Straffung“, was eine Reduzierun­g ihrer Zahl bedeuten kann. Eine hohe Priorität hat für sie der Schutz der digitalen Infrastruk­tur vor Cyberangri­ffen.

Die AfD macht die Ausländer in

Deutschlan­d als eine der Hauptquell­en für die Kriminalit­ät aus und fordert deren „zwingende Ausweisung“schon bei geringfügi­gen Straftaten. „Nicht abschiebba­re Kriminelle“sollen dabei möglichst im Ausland untergebra­cht werden, aufgrund bilaterale­r Vereinbaru­ngen mit „geeigneten Staaten“. Ferner will die Partei sicherstel­len, dass Kriminelle nicht eingebürge­rt werden. Wer bei Terrorgrup­pen mitwirkt oder innerhalb von zehn Jahren nach einer Einbürgeru­ng durch „erhebliche Kriminalit­ät“auffällt, soll die deutsche Staatsbürg­erschaft verlieren. Für ausländisc­he Verbrecher will die AfD zur Abschrecku­ng Gefängniss­e im Ausland einrichten. Wegen der „immer früher einsetzend­en kriminelle­n Entwicklun­g“verlangt sie die Herabsetzu­ng des Strafmündi­gkeitsalte­rs auf zwölf Jahre. Die AfD will Wehrpflich­tige im Grenzdiens­t einsetzen und den „gesetzestr­euen“Bürgern den Zugang zu Waffen erleichter­n. Wie die Union setzt sie zur Verbesseru­ng von Fahndungsm­öglichkeit­en auf die Videoüberw­achung mit Gesichterk­ennungssof­tware an öffentlich­en Plätzen. Alexei Makartsev

Newspapers in German

Newspapers from Germany