Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mehrkampf spannender als Duell: Die „Kleinen“werden wichtiger
Spitzenkandidaten von FDP, AfD, Grünen, Linken und der CSU liefern sich lebhafte TV-Debatte – Spekulationen über Koalitionen
BERLIN (dpa) - Der Umfrage-Vorsprung der Union ist groß, aber hinter der SPD ist das Feld hart umkämpft. Nach dem TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) richtet der Blick sich auf die „Kleinen“– deren Erfolg über die nächste Koalition entscheiden könnte. Einen Erfolg haben sie schon eingefahren: Ihr Fünfkampf am Montagabend war spannender als das Duell.
Dass FDP und Grüne mal einer Meinung sind, kommt nicht jeden Tag vor. Aber mit Blick auf das Fernsehduell zwischen Merkel und Schulz hatten die Liberalen und die Ökos die gleiche Idee: Ein Duett sei das gewesen, kein Duell, schimpften die Spitzenkandidaten beider Parteien selten einmütig. Verbunden mit der Botschaft an die Wähler: Jetzt kommt’s auf uns an. Darauf, wer am 24. September den dritten Platz holt. Und dann mit der Union in die Regierung geht. Vielleicht.
Wofür sie stehen, das konnten FDP-Chef Christian Lindner und das grüne Spitzenduo Katrin GöringEckardt und Cem Özdemir beim „Dreikampf “im ZDF und beim „Fünfkampf“in der ARD dem Fernsehpublikum erklären. Einig waren sich die Beobachter, dass vor allem die spätere Diskussionsrunde viel dynamischer war als das Duell.
Sogar ein Spitzenmann der CDU, der gar nicht dabei war, war angetan: „Das hat mir gefallen, dass da viele Themen angesprochen worden sind“, sagte Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus am Dienstag im ARD„Morgenmagazin“. Da sei Tempo drin gewesen. Ein FDP-Mitglied twitterte im Anschluss: „Danke, ARD, dass Ihr mit dem Fünfkampf gezeigt habt, dass es noch politische Debatten in Deutschland gibt.“
Sein Parteichef Lindner wollte dann auch in der ARD den als möglichen Außenminister gehandelten Özdemir in Sachen Russlandpolitik in eine Zwickmühle bringen: „Martin Schulz will die amerikanischen Nuklearwaffen aus Deutschland abziehen, obwohl Putin aufrüstet. Wo stehst du?“Ja, die beiden duzen sich. Özdemir ur-grün: „Ich bin für ein atomwaffenfreies Deutschland und für ein atomwaffenfreies Europa.“Dafür solle sich die nächste Außenministerin einsetzen.
Özdemirs Gegenfrage nach Lindners Haltung zu Russlands Präsident Wladimir Putin durfte Lindner nicht beantworten, da war der Zeitplan der Moderatoren davor. Auch sonst ließ das ARD-Format kaum Kabbeleien zu. Die drei anderen in der Runde, Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht, AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und CSU-Mann Joachim Herrmann buhlten ebenfalls um Aufmerksamkeit.
Wagenknecht warb für eine „echte Mietpreisbremse“und warf der bayrischen Landesregierung eine „inhumane“Flüchtlingspolitik vor, weil gut integrierte Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben würden. Weidel forderte die „Minuseinwanderung“und versuchte, Bayerns Innenminister Herrmann in die Enge zu treiben, denn Bayern habe „eine geringere Abschiebequote“als das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg. Das wollte der CSU-Politiker nicht auf sich sitzen lassen und konterte, „mehr als 10 000 Menschen“hätten den Freistaat freiwillig verlassen.
Und die Koalitionsfrage? „Schwarz-Gelb ist ein Riesenproblem. Und eine große Koalition, die macht weiter mit Aussitzen“, sagte Göring-Eckardt im ZDF-Dreikampf mit Alexander Dobrindt (CSU) und Dietmar Bartsch (Linke). Bleibt also irgendwas mit Grün – angesichts der SPD-Schwäche Schwarz-Grün oder „Jamaika“mit Union und FDP. Denn mit der AfD will keiner regieren, auch wenn die Partei derzeit in den Umfragen Aufwind hat. Nach Infratest dimap sieht auch das Institut Insa die AfD mit 10,5 Prozent auf Platz drei hinter Union und SPD.
Die schwarz-grün-gelbe DreierKonstellation halten Realos wie auch Parteilinke bei den Grünen für problematisch. Schwarz-Grün dagegen verkaufen die Parteistrategen als Möglichkeit, Schwarz-Gelb zu verhindern und damit, so das Argument, auch vier Jahre Stillstand beim Umweltschutz. Ist das realistisch? Dobrindt wurde deutlich: „Mit den beiden geht's definitiv nicht“, sagte er über Göring-Eckardt und Bartsch.