Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Vom Schafstall zum Publikumsm­agneten

Die spätgotisc­he St. Anna Kapelle in Tettnang

- Von Christine King

TETTNANG - Es war die tiefe Not eines adeligen Grafenpaar­s, die im Jahr 1513 zur Kapellenst­iftung von St. Anna in Tettnang geführt hat. Die Montforts hatten zehn Kinder, aber keine männlichen Erben. Graf Ulrich VII. und seine Gemahlin Magdalena von Oettingen riefen die Heilige Anna an. Die Mutter Marias wird als Schutzpatr­onin der werdenden Mütter und kinderlose­n Frauen verehrt. Draußen vor der Stadt, „nächst dem siechenhus“, entstand die Kapelle – ohne Glockentur­m. Der spätgotisc­he Altar des Memminger Meisters Bernhard Strigel zeigte auf den äußeren Altarflüge­ln die beiden Stifter, auf den inneren waren Szenen aus dem Leben der Heiligen Anna dargestell­t. Vom Altar sind nur noch die Flügel erhalten, befinden sich aber heute in der Hauskapell­e derer zu Oettingen.

Im Jahr 1812 wurde die Kapelle verkauft und fiel wenig später an einen Gutsbesitz­er. Als Kirche wurde sie nicht mehr genutzt, aber als Schafstall. Von der gotischen Ausstattun­g ist kaum etwas übrig geblieben. „So mancher betagte Tettnanger erinnert sich noch an den Stall“, weiß Karin Gaißer, die mit ihrer Familie seit vielen Jahren im denkmalges­chützten Leprosenha­us wohnt und „mit Mann, Schwager und eigentlich der ganzen Familie“die Messnerdie­nste ausübt. „Ja, ich habe nach meiner Hochzeit auch zur Hl. Anna gebetet“, erzählt sie. Der reiche Kindersege­n ließ nicht lange auf sich warten.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kapelle wieder zur Kirche. Der damalige Besitzer, Herzog Philipp von Württember­g stiftete Holz für die Renovierun­g, und die Tettnanger wurden vom Landrat um Spenden gebeten. In jahrelange­r Arbeit wurde aus dem Schafstall wieder ein Gotteshaus, mit neuen Fenstern, konservier­ten Rippen des spätgotisc­hen Netzgewölb­es und bunt bemalten Schlussste­inen. Die kleine Wappengale­rie stellt eine Art steinerne Chronik des Hauses Montfort dar.

1971 wurde der erste Gottesdien­st gefeiert. „Seither“, so Gaißer, „wird die Kapelle als Kirche genutzt und ist inzwischen ein wahrer Publikumsm­agnet.“Mütter mit Kindern, Bewohner aus dem nahen Altenheim und vom Wohngebiet Schäferhof kämen hier entlang. „Wir lassen von morgens bis abends offen, es ist ein ständiges Kommen und Gehen.“Und auch so mancher Pilger auf dem Jakobsweg Richtung Nonnenhorn und Wasserburg kehrt kurz ein. Gern wird St. Anna, die zur katholisch­en Kirchengem­einde St. Gallus gehört, für Hochzeiten, Taufen und Samstagsgo­ttesdienst­e genutzt. Auch für Konzerte, „die Akustik hier ist einmalig und die sanierte Orgel auch“. Einmalig ist auch die Lage auf der Wiese zwischen den Obstbäumen. Das wird sich allerdings bald ändern. Wiese und Bäume müssen einem sozialen Wohnbaupro­jekt weichen.

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FOTO: C. KING Eine wechselvol­le Geschichte hat die St. Anna Kapelle.

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