Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Auch wir in Eriskirch stoßen an die bebaubaren Grenzen“
Arman Aigner über die ersten Wochen als Bürgermeister von Eriskirch, konkrete Projekte und Zukunftspläne
ERISKIRCH - Er ist noch keine 100 Tage im Amt und gerade dabei, sich einzuarbeiten, trotzdem ist er bereit, schon jetzt Rede und vor allem Antwort zu stehen: Arman Aigner, seit 1. Juli Bürgermeister von Eriskirch. Im Sommerinterview mit SZ-Redakteurin Tanja Poimer spricht der Rathauschef über seine ersten Wochen im Amt, die Umsetzung seiner Wahlversprechen und konkrete Projekte, wie den Neubau der Festhalle und den Ausbau der Kinderbetreuung.
Haben Sie sich schon eingelebt? Wie fühlt es sich an, Bürgermeister von Eriskirch zu sein?
An meinem allerersten Tag als Bürgermeister, am 1. Juli, war das Brückenfest, mit dem wir den Abschluss der Sanierung der historischen Holzbrücke und zehn Jahre Bürgerstiftung gefeiert haben, und ich habe gleich meine erste Ansprache gehalten. Das war natürlich ein schöner Einstieg. Zwei Tage später stand mein Amtsantritt im Rathaus an, der überwältigend war. Die Mitarbeiter standen vom Treppenaufgang vor dem Gebäude bis in mein neues Büro, jeder mit einer Rose und einer selbst verfassten Karte in der Hand. Das war ein sehr warmer und herzlicher Empfang. Kurz darauf folgten die offizielle Amtseinsetzung und die 125-Jahr-Feier der Feuerwehr Eriskirch, es gab also gleich genug zu tun. Eigentlich komme ich erst seit den Sommerferien dazu, mich in die Themen einzuarbeiten und mir meine Gedanken zu machen.
Bevor Sie auf dem Chefsessel im Eriskircher Rathaus Platz genommen haben, leiteten Sie den Wasserschutzpolizeiposten in Langenargen und waren viel auf dem See unterwegs. Was hat sich abgesehen vom Aggregatzustand des Arbeitsplatzes für Sie geändert?
Ich fange mal andersrum an, verschiedene Abläufe sind sogar gleich, wie zum Beispiel der Beginn des Arbeitstages. Ich mache zuerst einmal den Computer an, lese meine EMails, meine Post und schaue in die Tageszeitung. Der große Unterschied ist, dass ich jetzt deutlich mehr Termine habe, durch die ich zum Teil fremdgesteuert bin. Das Zeitmanagement ist ein ganz anderes, und es ist eine Herausforderung, alles so auf die Reihe zu bekommen, um die Zeit zu haben, sich Gedanken zu machen und das Amt auszufüllen.
Und Sie fahren nicht mehr auf den See. Fehlt Ihnen das Wasser?
Zumindest fahre ich nicht mehr beruflich auf den See. Im Moment fehlt mir das aber auch nicht so sehr, weil ich sehr zufrieden bin mit dem, was ich mache. Ich habe von einem schöhen nen Beruf zum anderen gewechselt. Außerdem habe ich von meinen ehemaligen Kollegen zum Abschied eine Collage mit Bildern von See und Einsätzen erhalten, die hinter meinem Schreibtisch steht. Sollte ich Sehnsucht bekommen, drehe ich mich einfach um.
„Ich bin geeignet, um in Eriskirch etwas zu bewegen“: Das haben Sie im Januar gesagt, als Sie bekannt gegeben haben, dass Sie für den Bürgermeisterposten kandidieren werden. Konnten Sie in den ersten Wochen schon etwas anstoßen?
Innerhalb von wenigen Wochen ist es natürlich schwierig, etwas zu bewegen, das optisch wahrgenommen werden könnte. Es ist aber schon so, dass ich bereits Konzepte erstelle und schaue, wie es weitergeht. Direkt sichtbar wird meine Arbeit wohl erst Ende des Jahres, wenn es auch im Gemeinderat entsprechende Beschlüsse gegeben hat. Im Moment sind wir zum Beispiel dran, die Beleuchtung im Ort zu überprüfen und zu überlegen, wie wir die Leuchten auf moderne LED-Technik umstellen können. Ein weiterer Punkt ist das Mitteilungsblatt, das ich überarbeiten will, um mehr Menschen zu erreichen. Dabei wollen wir auch auf moderne Kanäle setzen, nicht jeder will das Blatt in Papierform, sondern hätte gerne eine Handy-App oder würde es lieber am Computer lesen. Eine Rolle spielt in dem Zusammenhang auch der Umweltschutz. Aber das ist alles noch in der Mache und muss auch mit dem Gemeinderat besprochen werden.
Und was wollen Sie als Nächstes ins Rollen bringen? Was steht an?
Ein Großprojekt ist der Neubau der Festhalle. An dem Projekt orientiert sich Vieles, das in nächster Zeit entstehen soll, weil es etwa 7,5 Millionen Euro kosten wird und damit große finanzielle Ressourcen verschlingt. Auch wenn wir Fördergelder bekommen, wird die Herausforderung sein, nach der Umsetzung handlungsfähig zu bleiben. Denn durch das neue kommunale Haushaltsund Rechnungswesen, Stichwort Doppik, schleppen wir so ein Projekt in der Regel 50 Jahre in unseren Büchern mit. Dazu kommen weitere Pläne, wie zum Beispiel der Ausbau der Kinderbetreuung, was ebenfalls nicht ohne finanziellen Einsatz gehen wird. Insgesamt geht es um Gewichtungen und die Frage, wie se- wir Eriskirch heute und wo wollen wir hin.
Und wie sieht der Zeitplan für den Neubau der Festhalle aus?
Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem die Fachplaner zum Einsatz kommen. Es entstehen also schon konkrete Kosten. 2018 könnte der Abbruch beginnen. Geplant ist, dass die Arbeiten eineinhalb bis zwei Jahre dauern, das heißt, die neue Halle könnte 2020 eröffnet werden. Daneben müssen wir uns aber dringend um die Kinderbetreuung kümmern, was mit reinspielt. Nicht umsonst hat unser ehemaliger Ministerpräsident Günther Oettinger einmal gesagt: ,Dann bauen die Gemeinden eben keine Festhallen mehr, sondern Kindertagesstätten.’ Und an dem Punkt sind wir in Eriskirch irgendwie.
Heißt das, die Festhalle wird erst einmal doch nicht neu gebaut, weil jetzt die Kinderbetreuung wichtiger ist? Haben sich mit dem Bürgermeisterwechsel die Prioritäten verschoben?
Nein, die Prioritäten haben sich nicht verschoben. Der Neubau der Festhalle ist vorbereitet und vorgeplant, und ich führe die Pläne weiter. Jetzt muss überlegt und abgewogen werden, wie wir neue Halle und Kinderbetreuung nebeneinander hinbekommen. Doch da habe ich den Gemeinderat an meiner Seite.
Bleiben wir bei der Kinderbetreuung, die ein zentrales Thema in Ihrem Wahlkampf war. Was passiert, damit der Nachwuchs, der in Eriskirch erfreulicherweise besonders gut wächst und gedeiht, angemessen betreut werden kann?
Es gibt noch keine Entscheidungen, wir sind dabei, zu planen. Es wird noch mal ein Treffen der Beteiligten, also kirchliche Trägerschaft und weltliche Gemeinde, stattfinden, um zu besprechen, was wir tun können. Eine Containerlösung neben dem Kindergarten in Eriskirch hat der Gemeinderat bereits abgelehnt. Sonst gibt es viele Möglichkeiten, angefangen bei einer Aufstockung des Kindergartens in Mariabrunn bis hin zum Bau eines dritten Standorts. Es werden alle Optionen geprüft. Am Schluss geht es darum, was für die Kinder am besten ist, schließlich wollen wir ein familienfreundlicher Ort sein.
Familien wollen nicht nur eine angemessene Betreuung für ihre Kinder, sondern auch bezahlbare Wohnungen oder Baugrundstücke. Genau die sind am Bodensee aber knapp. Wie schaffen Sie Platz?
Es ist tatsächlich so, dass der ganze Bodenseekreis eine Zuzugsregion ist. Und auch wir in Eriskirch stoßen an die bebaubaren Grenzen. Dazu kommt, dass die meisten Flächen in privater Hand sind und der Markt den Preis entscheidet. Wir können nur versuchen, Einfluss zu nehmen, indem wir das Gespräch mit den Eigentümern suchen, sobald wir Potenziale erkennen. Solche Gespräche hat es von meiner Seite auch schon gegeben, aber wir müssen abwarten, was sich daraus ergibt. Sollte sich etwas ergeben, wird im innerstädtischen Bereich üblicherweise verdichtet. Dabei spielt dann der Grad der Verdichtung eine wichtige Rolle. Die Bebauung in der Greuther Straße stößt beispielsweise auf große Kritik. Doch die Gebäude stehen nun einmal schon. Leider sind die Häuser neben dem Lebensmittelmarkt „Netto“auch noch einen Meter zu hoch, was dem Bauherren letztendlich wegen des Grundwassermanagements zugestanden worden ist.
Und wie sorgen Sie bei aller Verdichtung dafür, dass der dörfliche Charakter des Ortes nicht verloren geht, den Sie wiederholt hervorgehoben haben?
Da wird ein Kunstgriff notwendig. Ich – und der Gemeinderat wird ebenfalls darauf bedacht sein – stelle mir vor, bei einem Abriss und Neubau eine gewisse Vergrößerung zu ermöglichen, aber alles in Maßen. Die Rahmenbedingungen sind im Baurecht geregelt, wir müssen gegebenenfalls dagegen halten, und irgendwo zwischendrin wird sich eine Lösung finden. Zum Teil haben wir keine Handhabe, etwas nicht zuzulassen. Wenn wir Möglichkeiten haben, müssen wir diese ausschöpfen. Ich wünsche mir, dass wir bei aller Weiterentwicklung ein Maß finden, so dass alle noch sagen können: Jawohl, das ist mein Eriskirch.
Ganz konkret stand auf Ihrer Agenda im Wahlkampf, dass Sie sich für eine sinnvolle Zufahrt zum Auslieferungslager des Möbel-Discounters „Poco“im Lehen einsetzen wollen, weil der Verkehr inklusive Laster dorthin mitten durch ein Wohngebiet in Schlatt führt. Ihre Idee: eine neue Straße, die vom Wasserturm ins Gewerbegebiet führt – allerdings durch Waldgebiet. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung Ihres Versprechens?
Die Gespräche sind noch nicht geführt, stehen aber an. Grundsätzlich ist es so, dass wir hier ein Gewerbegebiet haben, das schon seit vielen Jahren besteht. Lange war der Verkehr dorthin unproblematisch, inzwischen hat sich dort aber Poco mit einem Lager angesiedelt, was zur Folge hat, dass viele und große Fahrzeuge dorthin unterwegs sind. In dem Gewerbegebiet sind außerdem weitere Flächen vorhanden, eine Bebauung hätte zur Folge, dass der Verkehr zunimmt. Was fehlt, ist eine vernünftige Zufahrt. Eine Straße vom Wasserturm ist keine Erfindung von mir, es gibt bereits Pläne. Die wurden bislang nicht umgesetzt, weil es keinen Bedarf gab. Bezüglich der Finanzierung gibt es verschiedene Optionen, die dann geprüft werden, wenn wir soweit sind. Und was den Wald betrifft, befinden wir uns am Randstück, und ich denke nicht, dass der Bau einer Zufahrt daran scheitern sollte.
„Es gibt viele Möglichkeiten, angefangen bei bei einer Aufstockung des Kindergartens in Mariabrunn bis hin zum Bau eines dritten Standorts.“
Es ging Ihnen nicht nur um diese asphaltierte Straße, sondern auch um einen Daten-Highway. Zitat: „Am Glasfaserausbau führt kein Weg vorbei.“Wie wollen Sie das in Unterbaumgarten umsetzen?
Zwischenzeitlich wurden von der Telekom Fakten geschaffen, die in den vergangenen Wochen an verschiedenen Straßen Glasfaserkabel verlegt hat, um hier so genanntes Vectoring zu betreiben und damit das Internet schneller zu machen. Die Vorgabe sind 30 Mbit/s Download in Wohnbereichen, was durch das Vectoring erreicht wird, weshalb uns als Gemeinde an dieser Stelle die Hände gebunden sind. Schade ist, dass es durch diese, nur von der Telekom angebotenen, Technik keinen freien Markt mehr gibt. An allen anderen Stellen müssen wir schauen, wo der gesetzlich vorgeschriebene Standard nicht erreicht wird und wir als Gemeinde selbst tätig werden können. Der Weg zum flächendeckenden Glasfasernetz ist im Moment noch unübersichtlich, aber ich erkenne das Potenzial, und wir werden einen Weg finden.
Wenn Sie die Schwäbische Zeitung nächstes Jahr wieder um ein Sommerinterview bittet, was wollen Sie zu berichten haben?
Ich möchte gerne erzählen, dass es mir sehr gut geht und ich sattelfest bin. Das wäre das Persönliche. Und von Gemeindeseite möchte ich sagen können, dass die Pläne für die Festhalle laufen und wir Land sehen. Dass wir die Kinderbetreuung im Griff haben, und zwar nachhaltig für die Familien und die Gemeinde. Dass wir das Ganztagesangebot an der Schule verbessert haben. Und, dass wir im Bereich Breitbandausbau Fortschritte gemacht haben. Es gibt also genügend Bereiche, die ich bis nächsten Sommer voranbringen möchte.