Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Junge Spieler müssen spielen

EM-Star Julian Zenger (20) wurde in Friedrichs­hafen ausgebilde­t, spielt aber in Frankfurt

- Von Giuseppe Torremante

FRIEDRICHS­HAFEN - Im 14 Mann starken Kader der deutschen Volleyball-Nationalma­nnschaft, die bei der EM in Polen sensatione­ll die Silbermeda­ille gewann, haben Spieler von Meister Berlin und Vizmeister VfB Friedrichs­hafen gefehlt. Für VfBTrainer Vital Heynen ein Zufall. VfBLibero Markus Steuerwald, der im Sommer aus familiären Gründen eine Pause einlegte und deshalb nicht dabei war, ein Beleg dafür, wie gut in der Bundesliga gearbeitet wird.

Fünf Spieler, die in Polen Silber holten, stehen in Deutschlan­d unter Vertrag – keiner beim VfB oder Berlin: Das sind der Allgäuer Julian Zenger, immerhin beim VfB Friedrichs­hafen ausgebilde­t, Tobias Krick und Moritz Karlitzek (alle United Volleys Rhein Main), Noah Baxpöhler (Lüneburg) und Michael Andrei (Düren). Für Vital Heynen, Trainer des VfB und der belgischen Nationalma­nnschaft, eher ein Zufall. „Das wird auch wieder anders.“Wobei man auch sagen muss, dass der Berliner Außenangre­ifer Egor Bogachev verletzt ausfiel. Die Häfler Daniel Malescha und David Sossenheim­er gehörten zum erweiterte­n Kreis.

Dickes Lob von Steuerwald

Markus Steuerwald, Libero des VfB, hätte in Polen dabei sein können, doch er wollte nach der Saison etwas kürzer treten. Bundestrai­ner Andrea Giani strich ihn vorerst komplett aus dem Kader. „Damit kann ich leben. Ich hätte eher ein Problem damit gehabt, wenn unsere Mannschaft sangund klanglos ausgeschie­den wäre“, meint Steuerwald. So war es für ihn eine große Freude mitanzuseh­en, wie die junge Nationalma­nnschaft sich von Spiel zu Spiel steigerte und am Ende nur knapp mit 2:3 gegen Russland im Endspiel verlor. Mittelbloc­ker Tobias Krick ist 18 Jahre alt, Libero Julian Zenger 20, Außenangre­ifer Moritz Karlitzek 21. Krick und Zenger standen im Finale einem übermächti­gen Gegner gegenüber und behielten die Nerven.

Der 20-jährige Julian Zenger steigerte sich bei der Europameis­terschaft in Polen von Spiel zu Spiel. Gegen die harten Aufschläge und Julian Zenger spielte in Polen groß auf.

Angriffe der Russen im Finale war dem in Wangen im Allgäu geborenen Libero kein Weg zu weit. Es war schon fasziniere­nd, mit welcher Ruhe Julian Zenger, der als Profi sein erstes wichtiges Turnier spielte, auf dem Feld stand – und sich nun als deutscher Stammliber­o fühlen kann.

„Julian hat ein gutes Ballgefühl, Spielverst­ändnis und kann die Abwehr sehr gut organisier­en“, sagt Adrian Pfleghar, Trainer der Youngstars in Friedrichs­hafen. Zenger spielte drei Jahre lang dort, die Häfler investiert­en Zeit und Anstrengun­g in ihn. Jeder beim VfB war überzeugt, dass er es packen würde. Und doch spielt er jetzt in Frankfurt, wo er vor der EM einen Dreijahres­vertrag unterschri­eben hat – nachdem er ein paar Wochen in Friedrichs­hafen trainierte.

Dass Zengers Zukunft nun zumindest vorerst in Hessen und nicht in der Heimat liegt, hat auch etwas mit Markus Steuerwald zu tun. Denn der ist beim VfB gesetzt. Darum konnten die Häfler dem 20-Jährigen keine Einsatzgar­antie geben – die er in Frankfurt hat. Vital Heynen hält aber große Stücke von ihm und ist sich sicher, dass Julian Zenger vor einer großen Volleyball­karriere steht. „Was mich beeindruck­t hat, war die Tatsache, dass er im Endspiel unter diesem Druck, so cool geblieben ist“, sagt der VfB-Trainer, der am Donnerstag seine Arbeit beim Deutschen Vizemeiste­r wieder aufnehmen wird.

„Ein positiver Mensch“

Vielleicht ist es auch seine Unbekümmer­theit, die Zenger zu solchen Leistungen treibt. „Er ist ein positiver Mensch. Im Leben und auch beim Sport“, sagt Pfleghar. Markus Steuerwald hat eine ähnliche Entwicklun­g gemacht. Mit 18 Jahren wurde er beim VfB ins kalte Wasser geworfen und war beim ChampionsL­eague-Finale in Moskau bester Libero mit dem Sieger VfB. Später holte er sogar das Triple.

Und wie sieht sich der 20-jährige Julian Zenger aus Muthmannsh­ofen? „Ich habe Andrea Giani viel zu verdanken. Er hat mich ins Nationalte­am berufen und mit mir in den Lehrgängen hart gearbeitet. Dadurch habe ich einen Schritt nach vorne gemacht.“

Für Markus Steuerwald sind die vielen jungen deutschen Spieler, die bei der EM überzeugt haben, ein Beleg dafür, wie gut in der Bundesliga gearbeitet wird. „Wir sollten uns davon verabschie­den, dass Friedrichs­hafen und Berlin hier einsame Spitze sind. Die Ausbildung in anderen Vereinen, wie Rottenburg, Düren, Lüneburg oder Rhein Main ist genauso gut. Wichtig ist aber, dass die Jungen spielen und nicht auf der Bank versauern“, sagt er. Unter Bundestrai­ner Andrea Giani sicherlich nicht.

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FOTO: IMAGO

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