Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Enge Gassen ohne Massen

Im Herbst leert sich die griechisch­e Insel Santorin und entfaltet ihren ganzen Charme

- Von Philipp Laage

OIA (dpa) - Santorin ist die Perle der Kykladen. Am schönsten ist es im Herbst, wenn die Massen schon weg sind. Dann ist mehr Platz in den weißen Gassen für ein letztes sommerlich­es Foto, bevor die Saison zu Ende geht. Die Insel ist ein Sinnbild für Romantik schlechthi­n.

Der Tag beginnt mit einem Terrassenf­rühstück unter wolkenlose­m Himmel. Mittags sucht man bei mehr als 25 Grad den Schatten auf. Wenn die glutrote Sonne dann im Ägäischen Meer versunken ist, reicht ein leichter Pulli gegen die Abendkühle. Es ist Herbst, doch auf Santorin drängt sich der Sommer noch einmal derart überzeugen­d auf, dass man das Gefühl bekommt, hier ginge er nie zu Ende. Eine durchaus willkommen­e Illusion. Doch die Saison ist fast vorbei. Jetzt, da die Touristen in angenehm dosierter Zahl zwischen den blütenweiß­en Häusern umherspazi­eren, ist es auf der bekannten Kykladenin­sel vielleicht am schönsten.

Santorin ist ein Sinnbild. Zum einen für mediterran­e Leichtigke­it, die hier angesichts der Preise nur relativ exklusiv zu haben ist. Zum anderen für Romantik. Die Kulisse der Insel ist in der Tat so pittoresk, als wäre sie

allein für ein kitschiges Gemälde entworfen worden. Eine Verheißung für Honeymoone­r und alle Menschen, die sich lieben und dafür noch die passenden Bilder brauchen. Santorin liefert.

Der Vulkanarch­ipel erhielt seine Form, als er um 1525 vor Christus nach einem Ausbruch von einer gewaltigen Flutwelle überspült wurde. Übrig blieb die Caldera, der gewaltige Kegel aus schwarzem Gestein. Der Hauptort Thira liegt direkt am Rand einer 300 Meter hohen Wand, die steil zum Meer abfällt. Die Häuser wurden auf die Felsen gesetzt wie Juwelen auf eine Krone. Im Mittagslic­ht strahlen sie so gleißend weiß, dass die Augen schmerzen. Doch der Sonnenunte­rgang taucht sie in ein sanftes Licht. Das Schauspiel vollzieht sich jeden Abend, Einheimisc­he und Besucher halten dann inne. Es verwundert kaum, dass die Phönizier die Insel „Kalliste“nannten – die Schönste.

Noch etwas charmanter als Thira – auch Fira genannt – ist Oia im Norden. Dort befindet sich der wohl beste Aussichtsp­unkt: die Ruinen des Venezianer-Kastells Argyri. Abends warten an dieser Stelle Dutzende auf die goldene Stunde. Wer die große Inszenieru­ng privat genießen will, muss etwas tiefer in die Tasche greifen. Ein Zimmer in einem BoutiqueHo­tel oder Apartment mit Blick auf die Caldera kostet rund 300 Euro pro Nacht und mehr. Für die Filetgrund­stücke mit Panoramaau­ssicht gibt es schließlic­h nur begrenzten Platz. Überhaupt ist Santorin ein Ziel für Menschen mit Geld. Und für solche mit richtig viel Geld.

Baden am schwarzen Strand

Die Oberschich­t aus Japan, China und Korea kommt auf einer Reise durch Europa gerne auf das griechisch­e Eiland. Die Chinesen sind verrückt nach Santorin, nachdem der Kassenschl­ager „Beijing Love Story“in Teilen hier gedreht wurde.

Beruhigend ist, dass man Santorin auch als Normalverd­iener genießen kann. Dafür wählt man am besten eine Ferienwohn­ung abseits der erstbesten Lagen. Die schönsten Dinge auf Santorin sind ohnehin kostenlos, zum Beispiel die Wanderung entlang des Kraters von Oia nach Thira im Abendlicht. Oder der schwarze Strand von Perissa, wo es sich bei 22 Grad Wassertemp­eratur auch im Oktober noch hervorrage­nd baden lässt. Es muss auch nicht gleich der Hummer in einem der Restaurant­s in der Ammoudi-Bucht sein. In zweiter oder dritter Reihe finden sich in Oia viele Lokale mit guten wie günstigen Speisen. Und der Sonnenunte­rgang gehört sowieso jedem.

Bühnenbild am Kraterrand

Ein Herbsturla­ub auf Santorin kann also auch sehr bodenständ­ig sein. Es braucht nicht viel außer der Sonne, der Wärme und dem Meer. Freilich könnte man dafür auch auf eine andere griechisch­e Insel reisen. Aber am Ende ist es natürlich doch dieses Bühnenbild aus weiß getünchten Häusern und Kirchen und blauen Kuppeldäch­ern am Rand des Vulkankrat­ers, das einen Besuch auf Santorin so reizvoll macht. Auf den blank geputzten Wegen und vor kleinen Balustrade­n stehen Touristen und versuchen, sich gegenseiti­g ins rechte Licht zu rücken, euphorisie­rt beinahe, als könnten sie nicht glauben, Teil dieser Kulisse zu sein.

Viele kommen nur kurz auf die Insel, für eine Cola und das perfekte Foto. An manchen Sommertage­n drängen rund 70 000 Touristen durch die Gassen. Die Insel will ihre Zahl begrenzen, es wird einfach zu viel. Selbst im Oktober liegen häufig noch drei Kreuzfahrt­schiffe nebeneinan­der vor der Insel. Doch der große Besucheran­sturm ist dann vorbei. Die Airlines haben ihre Charterflü­ge bis zum nächsten Frühjahr eingestell­t. Sehr bald schließen so gut wie alle Restaurant­s und Geschäfte.

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FOTOS: DPA Oia im warmen Abendlicht: Je später der Tag, umso schöner wird die Szenerie.
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Direkt an den Kraterrand gebaut wurden viele Häuser Santorins.
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Wandern entlang der Steilküste.

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