Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Von Piesel- und anderen Pilzen
Jetzt ist Pilzzeit, aber essbare Pilze finden, ist eine ganz andere Sache. Früher, im Südschwarzwald, war es ziemlich einfach: Dort, wo am Samstagmorgen um 6 Uhr die Waldparkplätze von Autos mit eidgenössischen Kennzeichen belegt waren, klappte es in der Regel. Aber Pilze sammeln war schon immer eine antizyklische Angelegenheit. Reiche Beute gab es meist, wo man sie am wenigsten vermutete. Körbeweise Steinpilze in einer Geröllhalde nur 500 Meter vom eigenen Haus entfernt, ist kein Pilzsammler-Latein.
Irgendwann stand der Familie trotz derartiger Funde der Geschmack nach Herbsttrompeten. Also los. Aber es schien vergebliche Liebesmüh’ zu sein. Die Kinder zweifelten an Papas Pilz-Sachverstand. Es war wie abgegrast. Und dann, nach mehr als einer Stunde Suchen, musste unsere damals fünfjährige Tochter mal „für kleine Mädchen“ein bisschen tiefer in die Büsche. Und ausgerechnet dort stand alles voller Herbsttrompeten. Seither wird „Craterellus Cornucopioides“bei uns nur als Pieselpilz bezeichnet. Und dieser zufällige Suchzauber scheint auch mehr als 40 Jahre später zu funktionieren: Beim Ausritt brauchten ihre beiden Pferde mitten im Wald einen „meditativen Halt“. Vom hohen Ross aus schaute die Reiterin in Richtung Unterholz: Da standen doch tatsächlich ihre rußgrauen Pieselpilze. (ws)