Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Da fehlt mir einiges“
Zeuge im Messerattacke-Prozess berichtet von reichlich Alkohol in der Tatnacht
RAVENSBURG/KRESSBRONN - „Da fehlt mir einiges“– mit diesem Zitat lässt sich wohl am besten der dritte Verhandlungstag gegen einen Häfler, der sich derzeit wegen versuchten Mordes vor dem Ravensburger Landgericht verantworten muss, zusammenfassen. Es stammt von einem der Hauptzeugen, der am Donnerstag vernommen wurde. Der zweite Zeuge dagegen erschien erst gar nicht.
Ein Abend, an dem reichlich Alkohol geflossen ist – das machte der junge Mann aus Kressbronn, der am Donnerstag im Zeugenstand saß, deutlich. Mehrere Stunden lang wurde er zu dem zweiten Weihnachtstag 2016 befragt. Viel hängengeblieben war aufgrund des Alkoholkonsums jedoch nicht, wie Richter Matthias Geiser und seine Kollegen feststellen mussten. Und auch der Angeklagte räumte ein: „Ich kann mich erst wieder erinnern, als er voller Blut vor mir stand.“
Wie berichtet, wird dem Angeklagten vorgeworfen, am 25. Dezember 2016 nach einem Discobesuch einen Taxifahrer mit dem Klappmesser bedroht und anschließend einen Mann aus Meckenbeuren – den Freund des Kressbronners – geschlagen und diesem in den Hals gestochen zu haben.
Bereits auf dem Weg zur Disco habe er „drei Bier“getrunken, draußen vor der Disco habe er dann mit seinem Kumpel – und bis dahin der Fahrer – die erste Flasche Wodka getrunken, schilderte der Zeuge. „Eine kleine, so 0,5 Liter, glaub ich.“Drinnen ging es dann relativ schnell an die Bar – eine weitere Flasche Wodka kam auf den Tisch im VIP-Bereich, in dem bereits ein Bekannter mit einigen Freunden, darunter der Angeklagte, saß. „Wir haben dann getrunken, gefeiert und gequatscht“, fasste der Zeuge die nächsten Stunden bis zum frühen Morgen zusammen. Immer wieder sei er zwecks Alkoholnachschub zur Bar gegangen.
Keine Erinnerungen an die Fahrt
Alle seien zwar betrunken gewesen, doch schwankend will er niemanden gesehen haben. Auch aggressiv sei niemand gewesen. Allerdings räumte er ein: „Ich habe an dem Abend definitiv zuviel getrunken.“Deshalb sei auch der weitere Verlauf der Nacht, die Fahrt von Bregenz nach Kressbronn, völlig weg. „Da fehlt mir echt einiges, von der Fahrt ist nicht mehr viel da. Ich kann nicht mal mehr sagen, wo ich saß“, sagte der Kressbronner auf die Frage, wo denn die einzelnen Personen im Großraum-Taxi Platz genommen hätten.
Er wüsste nicht, ob es durch einen „Schock“passiert sei – aber die Erinnerung sei erst wiedergekommen, nachdem sein Freund voller Blut vor ihm gestanden hätte. Das sei bereits in der Kressbronner Ortsmitte gewesen, wo das Taxi vor der Sparkasse angehalten haben soll. Als er seinen Freund gesehen habe, sei jedoch das Taxi, wie auch die übrigen Insassen, schon weg gewesen. „Das heißt, Sie haben nicht mitbekommen, wie
Sie ausgestiegen sind und was dann passiert ist?“, wollte der Richter wissen. „Nein“, so der Kressbronner.
Besser dagegen klappte es mit der Erinnerung an den folgenden Tag, als er und sein Freund – das Opfer – sich auf den Weg nach Bregenz machten, um das Auto abzuholen. Auf dem Weg dorthin habe man sich mit einem Bekannten, der am Abend zuvor ebenfalls in der Disco war und zur Gruppe des Angeklagten gehörte, verabredet, um „nochmal über alles zu sprechen. Ich hab dann gesagt, dass es scheiße war und er hat auch gesagt, dass es scheiße war“, so der Zeuge zu der Situation auf dem Parkplatz, auf dem neben den beiden Freunden der Bekannte zusammen mit dem Angeklagten und einem weiteren jungen Mann, der am Abend zuvor jedoch nicht dabei war, erschienen sei.
Letzterer jedoch habe allein das Wort ergriffen, sei sehr nah an das Opfer herangetreten und habe mitgeteilt, dass die „ganze Sache“doch ohne Polizei gelöst werden solle. Durch das aggressive und laute Auftreten sei die Situation „bedrohlich gewesen. Wir haben beide die Klappe gehalten, wir waren ja im Industriegebiet und allein“, so der Zeuge, bevor er schließlich entlassen wurde.
Ursprünglich sollte auch der Taxifahrer aussagen, doch nach einer längeren Unterbrechung stand fest: Der Zeuge befand sich in Bregenz und hatte laut Richter Matthias Geiser auch nicht vor, vor Gericht zu erscheinen, wie ein Telefonat ergab. Nachdem der Richter ihn von der Wichtigkeit seines persönlichen Erscheinens doch überzeugen konnte, soll er nun am nächsten Verhandlungstag aussagen. Beginn ist am 4. Oktober ab 11 Uhr.
„Wir haben beide die Klappe gehalten, wir waren ja im Industriegebiet.“