Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Von Liebe, Lust und Flirt bei Hofe
Eine öffentliche Führung für Erwachsene im Tettnanger Schloss
- Angekündigt ist am Sonntagnachmittag eine „offenherzige Führung“im Montfort-Schloss nur für Erwachsene gewesen. Die erotischen Details der lockeren Sitten barocken Adels fielen allerdings überschaubar aus. Dafür kamen viele Informationen zum Schloss und dem Adelsgeschlecht der Montforts. Das entsprach auch den Besuchern, die das Schloss noch nie besucht hatten.
Einige unverblümte Informationen gab es dann aber doch. Referentin Helga Müller-Schnepper zitierte im Audienzsaal einen Leibarzt von Kaiser Franz. Der Habsburger ohne eigene Regierungsgewalt habe zunächst nicht viel mit Gattin Kaiserin Maria-Theresia anfangen können, und so war diese zwei Jahre kinderlos geblieben war. „Der Kaiser solle doch dem Kitzler der Kaiserin viel Aufmerksamkeit schenken“, so der angebliche Rat des Mediziners. Der Klitoris-Stimulations-Tipp war wohl erfolgreich, denn in der Folge gebar Maria-Theresia immerhin 16 Kinder. Kaiser Franz hat dem Vernehmen nach seine Liebeskünste auch bei zahlreichen anderen Damen angewendet. Als pikantes Detail wurden die Logen des Hoftheaters oder der Oper in Wien erwähnt, deren Vorhänge zwar einen Sicht-, jedoch keinen Geräuschschutz bildeten. Das löste bei den 14 Teilnehmern eher gesetzteren Alters Heiterkeit aus.
Dekolletés und stramme Waden
Gesprochen wurde unter anderem auch über die Dekolletés der Damen. Schon damals habe es hebende und stützende Methoden gegeben, um die Reize entsprechend zu präsentieren, erläuterte die Referentin. Bei den Herren seien dagegen stramme Waden attraktivitätssteigernd gewesen: „Und auch hier hat man – übrigens bis heute – mit Polstern in den Strümpfen nachgeholfen.“
Angesprochen wurden von Müller-Schnepper bei den Geschlechterrollen der Adligen auch der kulturhistorische und gesellschaftliche Hintergrund. Die Ehe sei gerade im Adel eher unter machtpolitischen oder monetären Gesichtspunkten geschlossen worden. Da aber der kirchliche oder bürgerliche Moralkodex, gerade Ende des 17. und durch das 18. Jahrhundert, weniger für Adlige galt, gab es wohl schon die eine oder andere sittliche Besonderheit. So kamen andere Damen als die Herrschergattin für Liebe und Lust ins Schloss, durch den unauffälligen Direktzugang im Kabinett. Interessantes Detail: Der Gattin des Herrschers wurde erst nach Geburt des ersten oder zweiten männlichen Nachkommens derartiges Treiben nachgesehen. Dass es in diesen Kreisen zuweilen auch spontan zur Sache ging, ließ sich wohl nur mit voluminösen Roben ohne Unterwäsche umsetzen. Die Unterhosen seien erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, war zu erfahren. Manche der so entstandenen „Bastarde“durften sogar das Montfortsche Wappen mit einem Querstrich führen.
Aufklärung gab es auch noch zur damaligen Körperhygiene. Hatte man im Mittelalter noch genüsslich gemeinsam gebadet, einschließlich erotischer Komponente, war das im 17. Jahrhundert nicht mehr üblich. „Die haben sich mehr oder weniger abgestaubt“, scherzte die Referentin und erklärte auch warum. Die Pest habe eine Art Wasserphobie ausgelöst, da man Theorien glaubte, Wasser würde grundsätzlich Krankheiten übertragen. Und so kam die Redewendung vom „stinkfeinen“Adel nicht von ungefähr.
Zum Schluss gab es im BaccusSaal noch einen Schnellkurs über die damalige Kunst des Flirtens, zumindest bei der Damenwelt. Denn mithilfe der Geheimsprache des Fächers konnten die Damen signalisieren, ob sie verheiratet, verlobt oder ledig waren. Oder ob und wie viel Interesse sie am Gegenüber hatten. Mit diesem Know-how wurden die Besucher schließlich aus dem Tettnanger (Lust-)Schloss entlassen.