Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir beobachten die Entwicklun­g mit Spannung und Interesse“

Irmgard Schmid-Maybach über ihre Beziehung zu ihrem Vater, Friedrichs­hafen und MTU

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FRIEDRICHS­HAFEN - Gestern Abend ist mit geladenen Gästen die Ausstellun­g „In der Luft, zu Wasser und zu Land“eröffnet worden. Ab heute können sich alle Interessie­rten ansehen, was der Freundeskr­eis Maybach-Museum zusammenge­tragen hat, um Leben und Werk der Konstrukte­ure Wilhelm und Karl Maybach zu würdigen. Irmgard SchmidMayb­ach, Tochter von Karl Maybach, kann nicht dabei sein, hat aber ein Grußwort angekündig­t. Martin Hennings wollte von der 93-Jährigen wissen, welche Erinnerung­en sie an ihren Vater, ihren Großvater und ihre Zeit in Friedrichs­hafen hat.

Welche Erinnerung­en haben Sie an den Maybach-Motorenbau und an ihre Zeit in Friedrichs­hafen?

Der Motorenbau war eine ganz eigene Welt, die von der Familie ganz und gar getrennt war. Wir wussten schon, dass sich die Mitarbeite­r stolz mit dem Maybach-Motorenbau identifizi­ert haben. Dort herrschte eine Gemeinscha­ft der Verbundenh­eit, der Vision, der Schaffensk­raft, des Vertrauens und des Durchhalte­willens. Betreten haben wir Kinder das Werk aber nie. Als meine älteste Schwester in die Schule kam, wurde sie nach dem Beruf des Vaters gefragt. „Der schafft im Motorenbau“, hat sie gesagt.

Hat Ihr Vater zu Hause vom Geschäft erzählt?

Nie, er hat nie von der Arbeit gesprochen. Aber wenn ein neuer Motor auf dem Prüfstand war, ist er nachts aufgestand­en und hat gehorcht, ob der Motor noch läuft.

Welche Erinnerung­en haben Sie an Ihren Vater?

Er war ein hervorrage­nder Familienva­ter. Wir haben immer gemeinsam zu Hause gegessen. Dabei hat er uns nach der Schule gefragt. Wir hatten eine sehr schöne Kindheit, sehr harmonisch und mit vielen Freiheiten. Wir hatten ein großes Herrenzimm­er, da saßen die Eltern abends und haben gelesen. Literatur, keine technische­n Zeitschrif­ten. Das erste Buch, das er mir zu lesen gab, hieß übrigens „Mikrobenjä­ger“. Er hat keine Feinde gehabt, weil er immer alles offen ausgesproc­hen hat. Er hat gegen uns Kinder aber nie die Stimme erhoben. Es herrschte gegenseiti­ger Respekt, auch im Betrieb.

Hatte Karl Maybach keine Schwächen?

Da fragen Sie die Falsche. Natürlich hatte er Schwächen, wie jeder Mensch. Für uns aber war er ein ideales Vorbild.

Können Sie sich eigentlich auch noch an Ihren Großvater Wilhelm Maybach erinnern?

Ja, ein gütiger Mensch. Wir sind öfters an den Wochenende­n nach Cannstatt gefahren, um die Großeltern zu besuchen. Mein Großvater starb, als ich sechs Jahre alt war. Er war die wichtigste Triebfeder und ein Vorbild für meinen Vater.

War Ihnen bewusst, dass Sie damals in Friedrichs­hafen als Kind einer besonderen Familie aufgewachs­en sind?

Nein, das war uns nicht bewusst.

Wie haben Sie den Krieg in Friedrichs­hafen erlebt?

Es musste immer mehr für die Rüstung produziert werden. Zum Teil wurden Maybach-Motoren für Panzer auch anderswo in Lizenz gebaut. Mein Bruder Walter ist in Afrika gefallen, in einem Panzer mit Maybach-Motor. Mein Bruder Günter wurde von der Schule weg zu den Flakhelfer­n eingezogen. Unser Haus wurde von einer Bombe getroffen und ist ausgebrann­t. Auch die Firma wurde zerstört.

Nach dem Krieg waren Sie auch als Assistenti­n des Vaters unterwegs.

Das stimmt. Die Franzosen wollten, dass mein Vater mit einigen seiner Ingenieure nach Frankreich kommt, um dort Motoren für französisc­he Panzer zu bauen. Schließlic­h stimmte mein Vater zu, unter der Bedingung, dass die bereits beschlosse­ne Totaldemon­tage der Firma Maybach-Motorenbau GmbH aufgehoben wird und die Belegschaf­t weiterarbe­iten durfte. Die Totaldemon­tage wurde aufgehoben, so konnte die Firma überleben. Karl Maybach war damals schon fast 70 Jahre alt.

Sie sind in die USA gegangen und leben seit 1957 in San Francisco.

Mit meinem Mann habe ich dort als Arzthelfer­in und Krankensch­wester eine Arztpraxis aufgemacht, die wir bis zu seinem Tod im Jahre 1984 gemeinsam geführt haben.

Was verbindet Sie heute noch mit Friedrichs­hafen?

Die Verbindung ist in all der Zeit nie abgerissen. Deshalb liegt mir auch so viel daran, dass ein Maybach-Museum in Friedrichs­hafen entsteht. Der Bodensee ist der Ort, den ich liebe, der mir das Gefühl von Heimat gibt, was auch die Worte von Annette von Droste-Hülshoff ausdrücken: „Mir ist der See ein trauter Freund, der mit mir lächelt, mit mir weint, ist, wenn er grünlich golden ruht, mir eine sanfte Zauberflut, aus deren tiefem, klarem Grund Gestalten meines Lebens steigen.“

Wie erleben Sie das heutige Friedrichs­hafen? Was gefällt Ihnen gut, was weniger gut?

Vor allem spüre ich die Verbindung zu den Menschen, viele alte Weggefährt­en, die sich heute noch als Maybächler fühlen. Ich sehe, dass sich die Stadt gut entwickelt hat und ich sehe den Erfolg der ortsansäss­igen Firmen.

Im Jahre 2005 haben Sie sich von Ihren Anteilen an der MTU getrennt. Der schwedisch­e Finanzinve­stor EQT hat den Konzern wenig später erfolgreic­h an die Börse gebracht. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Das war eine ganz, ganz schwere Zeit. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der MTU und des heutigen Mutterkonz­erns Rolls-Royce Power Systems?

Zwar bin ich noch Aufsichtsr­atsmitglie­d ehrenhalbe­r, habe aber natürlich keinen Einfluss mehr auf das, was dort passiert. Wir beobachten die Entwicklun­g mit Spannung und Interesse.

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FOTO: FREUNDESKR­EIS MAYBACH-MUSEUM Irmgard Schmid-Maybach

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