Schwäbische Zeitung (Tettnang)
In der Union rumort es
Widerstand gegen CSU-Chef Seehofer – Kretschmann baut Brücken in Sachen Jamaika
BERLIN/MÜNCHEN/STUTTGART Nach dem Tiefschlag bei der Bundestagswahl herrscht bei der Union große Unruhe, vor allem bei der CSU. In Bayern wird offen über einen Rückzug von Parteichef Horst Seehofer diskutiert. Am Dienstag forderten immer mehr Landtagsabgeordnete, Orts- und Kreisverbände den Ministerpräsidenten auf, Konsequenzen aus dem historisch schlechten Ergebnis zu ziehen. Konkrete Rücktrittsforderungen kamen vor allem von Lokalpolitikern aus Franken, der Heimatregion seines CSU-internen Widersachers Markus Söder. Söder selbst hielt sich, genau wie die Führungsriege, bedeckt. Der 68-jährige Seehofer nannte den Streit eine Debatte zur Unzeit.
Auch bei der Schwesterpartei CDU herrscht Unzufriedenheit. Volker Kauder bekam bei seiner Wiederwahl zum Unions-Fraktionschef den Unmut zu spüren. Nur gut drei Viertel der Abgeordneten stimmten für den 68-Jährigen. Die Union hatte nur 32,9 Prozent erreicht, ihr schwächstes Ergebnis seit 1949. Schwierig dürften nun die anstehenden Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen über die Bildung eines Jamaika-Bündnisses werden. Seehofer warnte am Dienstag die Grünen: „Wir werden keine schrägen Kompromisse machen.“
Derweil zeigte sich in Stuttgart Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann optimistisch. Die Jamaika-Koalition sei nach dem angekündigten Rückzug der SPD in die Opposition ohne Alternative, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Als letzte Möglichkeit bliebe ansonsten nur eine Neuwahl. „Das will doch wohl ernsthaft niemand ins Kalkül ziehen.“
Die 14-köpfige Sondierungsgruppe seiner Partei stehe in großer Verantwortung. Dem Grünen-Team um die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir gehört aus dem Südwesten neben Kretschmann auch die Ravensburger Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger an. Die Gespräche, so der Ministerpräsident, würden konstruktiv mit dem Ziel geführt, dass es zu Koalitionsverhandlungen kommt. Kretschmann betonte, man werde in die Sondierung ohne Vorbedingungen gehen: „Es werden jetzt keine Knackpunkte genannt.“Alles andere wäre unprofessionell.
Jedoch warnte er auch: „Das wird kein Selbstläufer. Viele Themen werden schwierig.“Kretschmann nannte als Beispiele die innere Sicherheit mit der CSU und Europa mit der FDP. „Das sind ganz harte Verhandlungsbrocken.“Aber „Politik ist ja da, um schwierige Probleme zu lösen, leichte lösen sich auch ohne sie“. Zur Frage, ob ein konkretes Datum für ein Verbot des Verbrennungsmotors eine rote Linie sei, sagte er: „Wenn schon ich gegen so ein Datum bin, wird das nicht das alleroberste Schmerzgrenzen-Thema sein.“Man müsse „in jeder Gesellschaft Kompromisse machen“.