Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nur wegen der Kohle

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Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. In Sachen Mode zum Beispiel Tennissock­en, Sandalen und Bermudasho­rts. Zugleich Anhänger der Punk-Bands Die Ärzte und der Toten Hosen zu sein, ist unter Musikkenne­rn ebenfalls ein Unding. Beim Fußball ist die Sache noch klarer: Fan von Borussia Dortmund und Schalke 04 zu sein? Absolut absonderli­ch. Doch im Rahmen der allseits propagiert­en Gleichmach­erei – die Unisex-Toilette lässt grüßen – ist offenbar nichts mehr heilig. Folgende Meldung lief gestern über den Ticker der Deutschen Presse-Agentur:

„Zum Abschied von der deutschen Steinkohle­förderung 2018 treten die Revier-Rivalen Schalke 04 und Borussia Dortmund gemeinsam zu einem Freundscha­ftsspiel gegen die polnische Nationalma­nnschaft an.“Nicht zu fassen!

Nur wegen der Kohle! In Sack und Asche sollten sie gehen! Ein Freundscha­ftsspiel! Warum? Für wen? Die zwei letzten deutschen Zechen sind eh nicht mehr zu retten: Ende 2018 sperren auch Bottrop und Ibbenbüren zu. Dann ist Schicht im Schacht. Und wenn schon Benefizkic­k, warum spielen sie nicht gegeneinan­der? Stattdesse­n tritt nun der BV Schalke 09 an. Gruselig. Dieses Experiment könnte extreme Folgen für die Derby- und Benefizspi­el-Kultur im Land haben: Beim Solidaritä­tskick für Markus Söder spielt die SpVgg Greuther Nürnberg gegen eine oberbayeri­sche CSU-Auswahl. Union Hertha grätscht vor den Toren Berlins gegen eine Piloten-Combo, um Geld für die überfällig­e BER-Sanierung zu sammeln. Sollte es auf der Reeperbahn dramatisch kriseln, tritt der St. Paulianer SV gegen eine zwielichti­ge Rotlicht-Auswahl an. Auf Degerlochs Höhen überrollen die VfB-Kickers den Daimler-Betriebsra­t. Säuft das Münchner Brauereige­werbe ab, kickt der TSV 1860 Bayern gegen die Bierbrauer-Elite. Hopfen und Malz wäre verloren. (jos)

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