Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der richtige Umgang mit Demenz
Expertin Brigitte Restle gibt pflegenden Angehörigen Ratschläge.
TETTNANG - Wie man die Krankheit Demenz erkennt und damit umgeht, hat Brigitte Restle vom Netzwerk Demenz am Montag im St.-Gallus-Gemeindezentrum erklärt. Anhand von Beispielen zeigte die Expertin vor der Gruppe für pflegende Angehörige auf, wie Demente ihre Umwelt wahrnehmen und welche Strategien Angehörige anwenden können, wenn etwa die Eltern betroffen sind.
Den notwendigen Selbstschutz für Betreuer als wichtiges Element hob die Referentin gleich zu Beginn heraus: „Nur wenn es den Pflegenden gut geht, geht es auch den Kranken gut.“Sie verwies auf ihre eigene Arbeit mit Demenzkranken, mit der sie 1979 begonnen hat – dort habe sie als Fachkraft nach dem Dienst aber auch nach Hause gehen können. Angehörige könnten dies nicht, sie lebten 24 Stunden am Tag mit dem zu Pflegenden. Hier sei es wichtig, auch „demenzfreie Zeit“zu haben, Aufgaben abzugeben und Hilfe anzunehmen.
Schließlich könne sich der Demente nicht an seine Umwelt anpassen, der Gesunde müsse sich an den Kranken anpassen. Etwa 1,5 bis 1,7 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit an Demenz erkrankt, hinzu kommt laut Brigitte Restle eine Dunkelziffer. Schätzungen besagen, dass die Zahl bis 2050 auf drei Millionen steigen wird.
50 Formen der Demenz
Bei Demenz ist das Gehirn geschädigt – diese Bereiche können nicht wiederhergestellt werden. Das führe zu Einschränkungen im Kurzzeitgedächtnis und könne Persönlichkeitsveränderungen und auch körperliche Einschränkungen nach sich ziehen. Was davon genau in welcher Reihenfolge in Kraft trete, sei auch von der Art der Demenz abhängig – hier verwies die Expertin auf etwa 50 Varianten dieser Krankheit.
Veränderungen der Persönlichkeit hätten dabei oft mit Angst zu tun, so Restle: „Die Betroffenen merken das, wollen das Gesicht aber nicht verlieren.“Ein Beispiel, das sie nannte, war die Frage nach der Jahreszeit. Statt zu fragen, welcher Monat denn nun gerade sei, solle man besser sagen: „Ja, das ist aber ein schöner September draußen.“
Der Demente habe dann die Gelegenheit, das aufzugreifen: „Ja, das ist wirklich ein schöner September.“So könne der Kranke das Gesicht wahren und bleibe ruhig. Wisse er dagegen die Antwort nicht oder werde er korrigiert, verursache das unnötigen Stress – und möglicherweise dadurch auch eine gereizte Reaktion. Das könne der Versuch sein, das Gesicht zu wahren.
„Arbeiten Sie mit Humor“, riet Restle. Wie schwer das fallen kann, wurde aus dem Bericht einer Angehörigen deutlich. Sie sagte, dass ihr das beim Vater durchaus gelungen sei („Früher hatte ich diese Leichtigkeit.“), dass es bei der Mutter hingegen ungleich schwerer sei. Brigitte Restle erwiderte, dies hänge möglicherweise damit zusammen, dass die Beziehung zum Vater eine andere gewesen sei als zur Mutter.
Sich neue Informationen einprägen, Situationen überblicken, sich organisieren – all das könnten Demente einfach nicht mehr. „Nicht rügen, Menschen mit Demenz machen das ja nicht extra“, sagte Restle. Die Zielsetzung, dass der Kranke das mit Übung alles wieder könne, sei nicht realistisch. Trotzdem: „Nutzen Sie das, was er weiß.“
Wenn man dem Dementen etwas , das er halt langsam mache, aus der Hand nehme, um es ihm leichter zu machen, sei das vor diesem Hintergrund falsch: „Dann verlernt der Betroffene es ja noch schneller.“Hinzu komme dann Resignation, das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden. Der Kranke frage sich, so Restle: „Wer bin ich denn dann noch?“
Sie warnte allerdings, nicht jede Verwirrtheit als Demenz anzusehen. So könne beispielsweise auch Dehydrierung durch zu wenig Flüssigkeitsaufnahme den Anschein von Demenz erwecken. Es sei eine oft langwierige ärztliche Diagnose notwendig, um die Erkrankung sicher feststellen zu können.