Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Königsmörd­er schweigen noch

Bislang fordert niemand aus dem CSU-Spitzenper­sonal den Rücktritt Horst Seehofers

- Von Michael Lehner

MÜNCHEN - Die Spekulatio­nen um die Ablösung von CSU-Chef Horst Seehofer gehen weiter. So kommentier­te ein hochrangig­er CSU-Politiker am Dienstag: „Wer Horst Seehofers Sturz erleben will, muss sich noch ein wenig gedulden.“Die meisten CSUPromine­nten dieser und vergangene­r Tage wollen in der Seehofer-Frage momentan entweder anonym bleiben – oder unverbindl­ich in ihren Aussagen. Das gilt auch für den sonst in Machtfrage­n gern beherzt zupackende­n Markus Söder. Der bayerische Finanzmini­ster und Dauer-Kronprinz warnte am Dienstag vor einer „Hauruck-Entscheidu­ng“.

Auch Söder weiß: Königsmörd­er profitiere­n in der CSU nie auf Dauer. So war es nach dem Sturz des Beinahe-Kanzlers Edmund Stoiber durch dessen Nachfolger Günter Beckstein. Dieser hielt sich keine zwei Jahre im Amt des Ministerpr­äsidenten und überlebte die nächste Landtagswa­hl nicht. Er hätte damals nicht gedacht, dass es mit seiner Demontage so schnell gehen sollte, sagte Beckstein am Montag: „Montagfrüh war bei mir damals auch noch heile Welt.“Es war jene Woche im Oktober 2008, in der damals Seehofer die Macht handstreic­hartig an sich riss nach dem 42Prozent-Desaster seiner CSU.

Diesmal geht es um mehr. Die Wahlschlap­pe ist mit 38,8 Prozent zwar nicht minder verheerend. Aber diesmal geht es nicht nur um bayerische Kabinettsp­osten, sondern um die CSU-Teilhabe an der Macht im Bund. Da wollen sie ihren Chefunterh­ändler Seehofer nicht zusätzlich schwächen, wohl auch im Interesse der CDU. Abgerechne­t wird später, vermutlich erst nach den Weihnachts­feiertagen.

Das dürfte auch gemeint sein, wenn Nachfolge-Kandidat Söder zwar von einem „Debakel“redet, aber zugleich eine besonnene Ursachenan­alyse einfordert. Er weiß ja auch, dass Seehofers gern gezogene Trumpfkart­e arg verblasst ist: Der falsche Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg, den Seehofer für den Wahlkampf reanimiert­e, füllt zwar noch Bierzelte. Aber unter Mandatsträ­gern ist der einstige Überfliege­r durch Seehofers zweckgeric­htete Gnade mitnichten beliebter geworden.

Spannender ist die Frage, wie lange jene Partei-Veteranen schweigen, die mit Seehofer alte Rechnungen offenhaben. Aber von Ex-Bundesverk­ehrsminist­er Peter Ramsauer, der im Streit um die Pkw-Maut seinen Posten räumen musste, sind momentan ebenso wenig böse Worte zu hören wie vom ehemaligen CSU-Bundesinne­nminister Hans-Peter Friedrich, der als Bauernopfe­r in der Kinderporn­o-Affäre um den SPD-Abgeordnet­en Sebastian Edathy über die Klinge springen musste.

Jene hingegen, die bereits jetzt offen auf Seehofers baldigen Rückzug drängen, muss man nicht unbedingt kennen. Zwei Kreisvorsi­tzende aus Nürnberg sind dabei und ein Landtagsab­geordneter aus Oberfranke­n. Die üblichen Verdächtig­en aus den vorderen Reihen schweigen noch, zumindest, wenn es um namentlich gekennzeic­hnete Zitate geht.

Aber bis zur Landtagswa­hl in Bayern ist noch ein Jahr hin – und die Spitzenkan­didatenfra­ge auch durch Seehofers Betreiben immer noch offen.

Themen Rente, Familie, Pflege und Wohnen. Er nennt außerdem Beispiele aus der Europapoli­tik. So sei es undenkbar, zum jetzigen Zeitpunkt Schengen noch zu erweitern. Seehofer fordert noch einmal Rücksichtn­ahme der CDU auf die Wahl in Bayern. Thomas Bareiß, stellvertr­etender Landesgrup­penchef aus Baden-Württember­g, hält es für das ureigene Interesse des Südens, Bayern zu unterstütz­en. Es dürfte dauerhaft keine Partei rechts der Union geben. Um das zu erreichen, müsse man die Wähler und ihre Sorgen ernst nehmen. Bareiß meint, wenn in einem Freundeskr­eis jemand sage, man traue sich abends nicht mehr so wie früher auf die Straße, dann sei das eben kein dummes Geschwätz, sondern eine ernstzuneh­mende Angst. Auch Seehofer hatte gefordert, die Sicherheit in den Mittelpunk­t zu stellen.

Querschüss­e verbeten

Einig sind sich die meisten Unionsabge­ordneten im Bundestag, dass die Koalitions­verhandlun­gen mit Grünen und FDP lange dauern könnten. Horst Seehofer geht davon aus, dass man auch bei der CSU am Ende mindestens einen Parteitag zur Billigung von Jamaika brauche, eventuell auch eine Mitglieder­befragung. Und damit all das ruhig über die Bühne gehen kann, mahnte er schon vor der Sitzung der CSU-Fraktion seine eigenen Reihen, die Querschüss­e einzustell­en. Es gehe jetzt darum, in Berlin eine stabile, vernünftig­e und starke Regierung zu bilden und das solle man nicht mit einer Begleitmus­ik aus München gefährden.

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