Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Königsmörder schweigen noch
Bislang fordert niemand aus dem CSU-Spitzenpersonal den Rücktritt Horst Seehofers
MÜNCHEN - Die Spekulationen um die Ablösung von CSU-Chef Horst Seehofer gehen weiter. So kommentierte ein hochrangiger CSU-Politiker am Dienstag: „Wer Horst Seehofers Sturz erleben will, muss sich noch ein wenig gedulden.“Die meisten CSUProminenten dieser und vergangener Tage wollen in der Seehofer-Frage momentan entweder anonym bleiben – oder unverbindlich in ihren Aussagen. Das gilt auch für den sonst in Machtfragen gern beherzt zupackenden Markus Söder. Der bayerische Finanzminister und Dauer-Kronprinz warnte am Dienstag vor einer „Hauruck-Entscheidung“.
Auch Söder weiß: Königsmörder profitieren in der CSU nie auf Dauer. So war es nach dem Sturz des Beinahe-Kanzlers Edmund Stoiber durch dessen Nachfolger Günter Beckstein. Dieser hielt sich keine zwei Jahre im Amt des Ministerpräsidenten und überlebte die nächste Landtagswahl nicht. Er hätte damals nicht gedacht, dass es mit seiner Demontage so schnell gehen sollte, sagte Beckstein am Montag: „Montagfrüh war bei mir damals auch noch heile Welt.“Es war jene Woche im Oktober 2008, in der damals Seehofer die Macht handstreichartig an sich riss nach dem 42Prozent-Desaster seiner CSU.
Diesmal geht es um mehr. Die Wahlschlappe ist mit 38,8 Prozent zwar nicht minder verheerend. Aber diesmal geht es nicht nur um bayerische Kabinettsposten, sondern um die CSU-Teilhabe an der Macht im Bund. Da wollen sie ihren Chefunterhändler Seehofer nicht zusätzlich schwächen, wohl auch im Interesse der CDU. Abgerechnet wird später, vermutlich erst nach den Weihnachtsfeiertagen.
Das dürfte auch gemeint sein, wenn Nachfolge-Kandidat Söder zwar von einem „Debakel“redet, aber zugleich eine besonnene Ursachenanalyse einfordert. Er weiß ja auch, dass Seehofers gern gezogene Trumpfkarte arg verblasst ist: Der falsche Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg, den Seehofer für den Wahlkampf reanimierte, füllt zwar noch Bierzelte. Aber unter Mandatsträgern ist der einstige Überflieger durch Seehofers zweckgerichtete Gnade mitnichten beliebter geworden.
Spannender ist die Frage, wie lange jene Partei-Veteranen schweigen, die mit Seehofer alte Rechnungen offenhaben. Aber von Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der im Streit um die Pkw-Maut seinen Posten räumen musste, sind momentan ebenso wenig böse Worte zu hören wie vom ehemaligen CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der als Bauernopfer in der Kinderporno-Affäre um den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy über die Klinge springen musste.
Jene hingegen, die bereits jetzt offen auf Seehofers baldigen Rückzug drängen, muss man nicht unbedingt kennen. Zwei Kreisvorsitzende aus Nürnberg sind dabei und ein Landtagsabgeordneter aus Oberfranken. Die üblichen Verdächtigen aus den vorderen Reihen schweigen noch, zumindest, wenn es um namentlich gekennzeichnete Zitate geht.
Aber bis zur Landtagswahl in Bayern ist noch ein Jahr hin – und die Spitzenkandidatenfrage auch durch Seehofers Betreiben immer noch offen.
Themen Rente, Familie, Pflege und Wohnen. Er nennt außerdem Beispiele aus der Europapolitik. So sei es undenkbar, zum jetzigen Zeitpunkt Schengen noch zu erweitern. Seehofer fordert noch einmal Rücksichtnahme der CDU auf die Wahl in Bayern. Thomas Bareiß, stellvertretender Landesgruppenchef aus Baden-Württemberg, hält es für das ureigene Interesse des Südens, Bayern zu unterstützen. Es dürfte dauerhaft keine Partei rechts der Union geben. Um das zu erreichen, müsse man die Wähler und ihre Sorgen ernst nehmen. Bareiß meint, wenn in einem Freundeskreis jemand sage, man traue sich abends nicht mehr so wie früher auf die Straße, dann sei das eben kein dummes Geschwätz, sondern eine ernstzunehmende Angst. Auch Seehofer hatte gefordert, die Sicherheit in den Mittelpunkt zu stellen.
Querschüsse verbeten
Einig sind sich die meisten Unionsabgeordneten im Bundestag, dass die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP lange dauern könnten. Horst Seehofer geht davon aus, dass man auch bei der CSU am Ende mindestens einen Parteitag zur Billigung von Jamaika brauche, eventuell auch eine Mitgliederbefragung. Und damit all das ruhig über die Bühne gehen kann, mahnte er schon vor der Sitzung der CSU-Fraktion seine eigenen Reihen, die Querschüsse einzustellen. Es gehe jetzt darum, in Berlin eine stabile, vernünftige und starke Regierung zu bilden und das solle man nicht mit einer Begleitmusik aus München gefährden.