Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Terrorproz­ess gegen „Prediger ohne Gesicht“gestartet

Der Iraker Abu Walaa soll von einer Hildesheim­er Moschee aus für den IS junge Menschen angeworben haben

- Von Michael Evers

CELLE (dpa) - Abu Walaa gilt als „Prediger ohne Gesicht“, denn bei seinen Hassbotsch­aften im Internet zeigt er sich nur von hinten. Seit Dienstag muss sich der mutmaßlich­e Deutschlan­dchef der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) in Celle vor dem Oberlandes­gericht verantwort­en. Laut Anklage ist der 33-jährige Iraker verantwort­lich für die Ausreise zahlreiche­r radikalisi­erter junger Menschen in die IS-Kampfgebie­te. Mit ihm angeklagt sind vier weitere IS-Unterstütz­er im Alter zwischen 27 und 51 Jahren. Ihnen wird Unterstütz­ung und Mitgliedsc­haft in einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g vorgeworfe­n. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Schwerbewa­ffnete Spezialkrä­fte der Polizei sichern das Gerichtsge­bäude, verhandelt wird im Hochsicher­heitstrakt und die Angeklagte­n sitzen hinter Panzerglas. Und dies nicht grundlos: Laut Gericht gibt es Anschlagsd­rohungen ebenso wie den Aufruf im Internet zur Befreiung eines Angeklagte­n. Mit wachem Blick redet Abu Walaa mit seinem Anwalt. Man kann sich vorstellen, dass er Menschen für sich gewinnen kann – und wie die Bundesanwa­ltschaft überzeugt ist: für einen fanatische­n Glaubenskr­ieg. Beim inzwischen verbotenen „Deutschen Islamkreis Hildesheim“soll Abu Walaa radikal-islamische Predigten gehalten und die Moschee zu einem bundesweit­en Rekrutieru­ngszentrum des IS gemacht haben. Laut Anklage indoktrini­erte das Netzwerk junge Menschen und schickte sie nach Syrien oder in den Irak. Zwei in der Anklage genannte Zwillinge aus Castrop-Rauxel sollen sich dort als Selbstmord­attentäter in die Luft gesprengt haben, wobei rund 150 Regierungs­soldaten starben. Während der Schilderun­g lächelt Abu Walaa immer wieder, manchmal schüttelt er den Kopf.

Kronzeuge belastet Angeklagte­n

Außer in Hildesheim war der von den Sicherheit­sbehörden seit Jahren beobachtet­e Prediger in NordrheinW­estfalen aktiv. Außerdem organisier­te er Islamsemin­are in Moscheen in Berlin, Kassel, Frankfurt und dem westfälisc­hen Bocholt. Auch der Berlin-Attentäter Anis Amri soll sich im Umfeld von Abu Walaa und seinem Netzwerk aufgehalte­n haben.

Belastet wird Abu Walaa von mehreren V-Leuten der Polizei sowie einem ehemaligen IS-Sympathisa­nten aus Gelsenkirc­hen. Der Kronzeuge sagte sich nach einer Syrienreis­e von der Terrormili­z los und packte bei den Ermittlern aus, er erhielt im Mai eine Bewährungs­strafe.

Abu Walaas Verteidige­r Peter Krieger sagte, der Kronzeuge erzähle „fantastisc­he Geschichte­n“, die die Behörden nicht überprüft hätten. Trotz jahrelange­r Beobachtun­g hätten die Behörden Abu Walaa zuvor nie etwas anlasten können. Die Verteidigu­ng behauptet auch, der auf Abu Walaa angesetzte V-Mann „VP01“des Landeskrim­inalamtes NRW habe Anis Amri immer wieder zum Verüben von Anschlägen aufgeforde­rt. Deswegen, so die Vermutung der Anwälte, dürfe dieser wohl nicht in Celle als Zeuge aussagen.

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FOTO: DPA Abu Walaa steht in Celle vor dem Oberlandes­gericht.

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