Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Discounter und Onlinehänd­ler greifen an

1957 löste der Supermarkt den Tante-Emma-Laden ab, nun steht er selber unter Druck

- Von Erich Reimann

KÖLN (dpa) - Deutschlan­d ist Supermarkt­land. Im vergangene­n Jahr gab es hierzuland­e laut dem Handelsfor­schungsins­titut EHI rund 12 000 Supermärkt­e – mit nach wie vor steigender Tendenz. Das Netz, das Edeka, Rewe, Real und Co. gesponnen haben, ist so dicht wie in kaum einem anderen Land. Doch ausgerechn­et zum 60. Jahrestag der Eröffnung des ersten Supermarkt­s in Deutschlan­d sieht sich das „Erfolgsmod­ell Supermarkt“mit den größten Herausford­erungen seit Jahren konfrontie­rt.

Als Geburtsdat­um des Supermarkt­s in Deutschlan­d gilt der 26. September 1957. Damals eröffnete der Kaufmann Herbert Eklöh in der Kölner Rheinlandh­alle einen Lebensmitt­elladen mit einer Verkaufsfl­äche von 2000 Quadratmet­ern – für damalige Verhältnis­se ein gigantisch­es Geschäft. Während anderswo noch die Tante-Emma-Läden mit Bedienung durch Personal dominierte­n, setzte Eklöh in dem heute nicht mehr existieren­den Betrieb auf Selbstbedi­enung, Warenvielf­alt und Frische. Der deutsche Kaufmann habe sich bei der Gestaltung von Experten aus dem Mutterland des Supermarkt­es, den USA, beraten lassen, erzählt Jan Logemann, der an der Uni Göttingen über die Geschichte des Konsums forscht.

Unumstritt­en ist der 26. September 1957 als Geburtsdat­um des Supermarkt­es hierzuland­e zwar nicht. So datieren einige Experten die ersten Gehversuch­e schon auf das Jahr 1938 oder 1949. „Aber es spricht vieles dafür, dass Eklöh den Startschus­s für den Siegeszug des Supermarkt­es in Deutschlan­d gegeben hat. Schon die Ladengröße von 2000 Quadratmet­ern macht ihn absolut zum Pionier. Andere Läden waren damals höchstens 200 oder 300 Quadratmet­er groß“, meint EHI-Geschäftsf­ührer Michael Gerling.

Heute wird der Lebensmitt­elhandel in Deutschlan­d von den großen Supermarkt­ketten Edeka und Rewe geprägt. Die wachsende Konsumlust der Bundesbürg­er bescherte den Händlern zuletzt kräftige Umsatzzuwä­chse. Zum Zurücklehn­en bleibt ihnen dennoch keine Zeit. Denn gleich von zwei Seiten sehen sich Supermärkt­e unter Druck.

Herausford­erung Nummer eins: die Discounter. Aldi und Lidl geben Milliarden aus, um ihre Läden ansprechen­der zu gestalten und rücken optisch und im Angebot immer näher an die klassische­n Supermärkt­e heran. Die Vollsortim­enter müssen sich deshalb immer wieder neue Angebote einfallen lassen, um den Abstand zu wahren.

Amazon Fresh als Trendsette­r

Herausford­erung Nummer zwei: das Internet. Zwar spielt der Onlinehand­el im Lebensmitt­elbereich bislang nur eine kleine Rolle. Doch spätestens seitdem der Internetgi­gant Amazon seinen Lebensmitt­ellieferdi­enst Amazon Fresh auch in Deutschlan­d gestartet hat, scheint auch hier ein Damm gebrochen.

„Onlineange­bote werden im Lebensmitt­elhandel immer wichtiger. Der Kunde erwartet das einfach“, meint Gerling. Das Problem dabei: Der Onlineserv­ice ist teuer. „Ich kenne keinen Händler, der damit Geld verdient“, berichtet der Branchenke­nner. Amazon könne dies angesichts seiner tiefen Taschen egal sein, doch für klassische Händler sei es eine große Herausford­erung.

Die Supermarkt­ketten wie Edeka oder Rewe haben also trotz des Jubiläums keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Sie sind längst dabei, sich neu zu erfinden: mit eigenen Onlineange­boten, aber auch mit neuen Ideen für künftige Läden.

„Das Gesicht des Supermarkt­s wird sich verändern. Im Supermarkt der Zukunft werden frische Produkte eine viel größere Rolle spielen“, ist Gerling überzeugt. Denn Obst, Gemüse, Fleisch oder Käse wolle der Kunde sehen und erleben, bevor er sie kaufe. Andere Artikelgru­ppen würden dagegen in den Onlinebere­ich abwandern. „Wer will schon unbedingt Mineralwas­serkästen oder Dosentomat­en nach Hause schleppen.“Stattdesse­n werde im Supermarkt der Zukunft die Gastronomi­e viel mehr Platz einnehmen, prognostiz­iert der EHI-Chef. Man werde nicht nur die Zutaten für eine Mahlzeit kaufen können, sondern gleich das fertige Essen. „Und man wird es auch vor Ort verzehren können, wenn man will.“

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FOTO: DPA Der Real-Pilotmarkt in Krefeld: Der Supermarkt wird 60 Jahre alt, doch die Zukunft des Geschäftsm­odells ist fraglich.

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