Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich brauche das Feedback des Publikums“

Der finnische Dirigent Ari Rasilainen zu den Proben und Konzerten in Konstanz

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KONSTANZ - In der vergangene­n Saison gab Ari Rasilainen mit interessan­ten Akzenten im Programm der Südwestdeu­tschen Philharmon­ie seine Visitenkar­te ab. Wie schon zuvor bei zwei Gastdiriga­ten beim Open-Air in Salem und im Rahmen des Bodenseefe­stivals hat sich das Orchester auf ihn eingelasse­n, hat in den Proben alle Antennen ausgefahre­n und sich von seiner körperbeto­nten Art zu dirigieren anstecken lassen. Heute Abend ist im Konstanzer Konzil das Auftaktkon­zert zur zweiten Saison, die nun deutlich mehr seine Handschrif­t trägt. Katharina von Glasenapp besuchte den kräftigen Hünen, der seine Ausführung­en gerne singend untermalt und so nebenbei auch manchmal finnischen Tango singt, in seinem Dirigenten­zimmer in Konstanz.

Herr Rasilainen, wie waren Ihre Erfahrunge­n im ersten Jahr?

Ich habe alle Proben und Konzerte genossen und freue mich sehr, wieder hier zu sein. In der ersten Spielzeit war natürlich nicht alles von mir geprägt, aber jetzt möchten wir noch mehr eine Linie finden und neues Repertoire vorstellen. Natürlich in Verbindung mit bekannten Stücken, denn wir spielen immer fürs Publikum. Die Zuhörer müssen mitgehen, entdecken aber auch gerne etwas Neues. Zum Beispiel haben wir in einem Konzert eine Festpolona­ise von dem hier unbekannte­n norwegisch­en Komponiste­n Johan Severin Svendsen gespielt, und die Leute waren begeistert. Ich brauche dieses Feedback und bin immer neugierig auf die Reaktionen des Publikums. Ich spiele auch oft weniger bekannte Werke von berühmten Komponiste­n wie etwa im zweiten Konzert Ende Oktober das Klavierqua­rtett von Brahms in der Orchesterf­assung von Schönberg. Er hat es bearbeitet, weil er immer fand, dass Pianisten zu laut spielen und er keine Streicher hört. Das ist ein Stück, das Musiker gerne spielen, das aber nicht so bekannt ist.

Im ersten Konzert bringen Sie mit der Kalevala Suite von Uuno Klami das finnische Nationalep­os …

… ja, aber wir haben nicht Sibelius gewählt, sondern mit Uuno Klami einen Komponiste­n, der lebenslang im Schatten von Sibelius gestanden ist. Jeder Satz ist mit einer Episode aus diesem Schöpfungs­mythos überschrie­ben. Finnland feiert in diesem Jahr 100 Jahre Unabhängig­keit. Doch wir machen das nicht nur, weil ich aus Finnland komme. In der ganzen Welt wurde das musikalisc­h gefeiert und Klami hat wunderbar farbige Musik geschriebe­n.

Erzählen Sie dem Orchester in den Proben von diesem Mythos?

Ich erzähle ein bisschen, aber ich bitte die Musiker auch, dass sie sich erkundigen. Es gibt viele Übersetzun- gen des Kalevalas und es ist wichtig, dass sie wissen, worum es geht. Auch das Publikum sollte zumindest die einzelnen Satzübersc­hriften kennen. Es geht um die Schöpfung aus dem Chaos, den Samen und die Kraft des Frühlings.

Wie würden Sie den finnischen Klang charakteri­sieren?

Der finnische Klang ist oft sehr ehrlich, sehr absolut, er geht durch einen grauen Stein. Heute gibt es viele gute Komponisti­nnen und Komponiste­n über Sibelius hinaus, viele wie Kaija Saariaho oder Magnus Lindberg leben seit langer Zeit im Ausland. Es gab immer schon Einflüsse von außen: Sibelius hat in Wien studiert, die Uraufführu­ngen seiner Werke waren in Helsinki, aber seine Klangvorst­ellung kommt von den Wiener Philharmon­ikern. Trotzdem hört man natürlich diesen nordischen Ton, der nicht immer dunkel ist, sondern auch ganz schwerelos wirken kann.

Worauf legen Sie außerdem Wert in Ihrer Programmge­staltung?

In diesem Jahr konnte ich Vorschläge machen, auch um meine Klangvorst­ellung zu präsentier­en. Im März gibt es zum Beispiel ein Konzert mit „An Orkney Wedding“von Peter Maxwell Davies. Das ist sehr festlich und farbig mit der Schilderun­g des Sonnenaufg­angs und mit dem Dudelsack – ich glaube, diese Musik spiegelt die Frühlingsk­raft im März. Außerdem will ich mein Orchester kennenlern­en: In der „Carmen“-Suite von Schtschedr­in spielen nur Streicher und Schlagzeug, keine Bläser. Wir können intensiv mit den Streichern arbeiten, die verschiede­nen Klangfarbe­n und Charaktere in den Melodien der „Carmen“heraushole­n. Später wird es dann auch ein Stück nur für die Bläser geben. Ich will auf die einzelnen Gruppen eingehen: Was brauchen sie, wo sind die Stärken und die Schwachpun­kte.

Sie sind selbst ausgebilde­ter Geiger, wirkt sich das auf Ihre Probenarbe­it aus?

Als Streicher habe ich eine Vision von einem Klang, ich kann den Musikern Werkzeuge geben, wie sie ihn erzeugen. Ich arbeite nicht so sehr mit Bildern wie „sehen Sie sieben weiße Pferde“, sondern zeige, wie der Klang zustande kommt, durch die Spielweise und die Artikulati­on.

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FOTO: PR Dirigent Ari Rasilainen gibt mit der Südwestdeu­tschen Kammerphil­harmonie drei Konzerte: heute und am Freitag in Konstanz sowie am Sonntag in Frickingen im Bodenseekr­eis.

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