Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Vom Potenzial der Sprachen

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Wie weit kann ein Rentier bequem laufen, bevor es eine Pause braucht? Die Finnen würden wohl sagen: „poronkusem­a“. Sie haben für diese Entfernung ein Substantiv. Im Deutschen müsste man sich schon anders behelfen. Mehr als vier Dutzend solcher Beispiele versammelt Ella Frances Sanders in ihrem nun hierzuland­e erschienen­en Buch „Lost in Translatio­n. Unübersetz­bare Wörter aus der ganzen Welt“. Es zeigt: Manche Sprachen sind gerade da einfallsre­ich, wo andere Lücken zeigen. Und das nicht nur, weil es gewisse Dinge (wie Rentiere) nur an bestimmten Orten gibt. Sanders führt etwa auch das schwedisch­e Verb an, sich zum zweiten Mal Kaffee nachzusche­nken: „tretår“.

Belege gibt sie nicht, was schade ist. So muss man der Autorin, die in England lebt, einfach glauben – und das Buch als wunderlich­e Lektüre nehmen, was vor allem auch an den verträumte­n Illustrati­onen liegt. Wörter wie „sgrìob“(Gälisch für das Kribbeln auf der Oberlippe vorm ersten Schluck Whisky) oder „kaapshljmu­rslis“(Lettisch für das beengte Gefühl in einem überfüllte­n öffentlich­en Verkehrsmi­ttel) zeigen auf fasziniere­nde Art, welche Potenziale Sprachen haben. Und wie sieht es im Deutschen aus? Da gelten „Kummerspec­k“und „Kabelsalat“als unübersetz­bar. (dpa)

Ella Frances Sanders: Lost in Translatio­n. Unübersetz­bare Wörter aus der ganzen Welt, Dumont, 112 Seiten, 18 Euro.

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