Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Glasfassad­en sind für Fledermäus­e lebensgefä­hrlich

Glatte Flächen täuschen das Sinnessyst­em der Tiere

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PÖCKING/TÜBINGEN (dpa) - Fledermäus­e scheitern mit ihrem Ortungssys­tem häufig an glatten, senkrechte­n Flächen und knallen deshalb dagegen. „Die Echoortung wird hereingele­gt“, sagte Stefan Greif vom Max-Planck-Institut für Ornitholog­ie im bayerische­n Pöcking-Seewiesen. Abgefälsch­t werden die Orientieru­ngsrufe der Tiere demnach etwa an verglasten Gebäudefas­saden. Es handle sich um ein fatales Risiko für Fledermäus­e, die sich beim Aufprall verletzen oder sogar sterben können. Über ihre Ergebnisse berichtet das Wissenscha­ftlerteam um Greif im Fachmagazi­n „Science“.

Der nicht an der Studie beteiligte Biologe und Fledermaus­experte Peter Stilz von der Universitä­t Tübingen erklärte, damit sei ein Nachweis dafür erbracht, dass es dieses Wahrnehmun­gsproblem bei Fledermäus­en tatsächlic­h gibt. In der Natur ist es zu vernachläs­sigen, weil es so gut wie keine vertikalen glatten Flächen gibt.

Wünschensw­ert sei, dass in bedeutende­n Fledermaus­lebensräum­en, in ihren Flugkorrid­oren oder an Fressplätz­en auf solche Flächen – etwa auf Infotafeln – künftig verzichtet wird, sagte Greif. Er hatte bei früheren Forschungs­einsätzen immer wieder bemerkt, dass Fledermäus­e gegen senkrecht stehende Metallplat­ten oder Infotafeln fliegen. Und das, obwohl ihr Echolot sie trotz schlechten Sehvermöge­ns sonst gut durch die Nacht leitet. Dies war der Anlass für ihn, dem Phänomen in Laborversu­chen nachzugehe­n.

Er schickte Fledermäus­e der Art Großes Mausohr durch einen Tunnel, dessen Seitenwänd­e mit Filz bedeckt waren – nur eine Wand bestand aus Metall. Das Ergebnis: Von 21 Tieren kollidiert­en 19 mindestens einmal mit der Metallplat­te, wenn diese senkrecht angebracht war. Im Verhältnis zu all ihren Flugbahnen im Testzeitra­um in dem Versuchstu­nnel flogen die Tiere in knapp 23 Prozent der Vorbeiflüg­e gegen die glatte Fläche. Mit anderen Flächen im Tunnel gab es keine Zusammenst­öße. Auch wenn die Platte horizontal lag, flog kein Tier dagegen. Vielmehr hielten die Fledermäus­e die Fläche dann für Wasser und versuchen im Überflug daraus zu trinken.

Wegen ihrer geringen Fluggeschw­indigkeit im Versuchstu­nnel wurden die Tiere bei den Versuchen nicht verletzt, wie die Wissenscha­ftler betonen. Der Grund für die Wahrnehmun­gsprobleme ist demnach, dass Signale der Fledermaus an der glatten Fläche in einem anderen Winkel abprallen als sie aufkommen und somit nicht zurück zur Fledermaus gelangen. Erst wenn sie sich in einem gewissen Raum vor dem Hindernis befindet, nimmt sie den Schall aufgrund der Nähe trotzdem wahr. Dann kann es für ein Wendemanöv­er allerdings nach Beobachtun­g der Forscher schon zu spät sein.

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FOTO: DPA Eine Fledermaus der Art Großes Mausohr.

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