Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die lange Reise nach Jamaika
Verhandlungen über Personen und Posten, rote Linien und Ministerien
BERLIN - Noch steht der erste Termin für Sondierungen zu Jamaika nicht fest, da werden schon Pflöcke und Pfosten eingeschlagen. Zum einen Ermahnungen an andere, nur ja keine roten Linien zu ziehen, zum anderen Erklärungen, was man selbst nicht mittragen will.
Allen voran Jürgen Trittin: Der linke Grünen-Politiker wettert bereits, dass sich erst einmal CDU und CSU einigen müssten. Dabei war Trittin, und nur der, aus Sicht der Union schuld, dass Jamaika beim letzten Mal nicht klappte. Horst Seehofer erinnert sich genau. Alles war schon so gut wie unter Dach und Fach. „Wir waren ganz nah dran, es lag nur an den Grünen, dass es nicht funktioniert hat“, sagte Horst Seehofer diese Woche in Berlin.
Nun also wieder. Wenn CDU und CSU nach rechts rückten, „dann wird das nichts mit dieser Konstellation“, sagte Trittin mit Blick auf eine Jamaika-Koalition. Die Union will sich am 8. Oktober treffen, um über Gemeinsames und Trennendes wie die Obergrenze für Flüchtlinge zu reden. Trittin meint: Da sollen die beiden sich erst mal einigen. „Wir sollten mal ganz gelassen zusehen und nicht über jedes Stöckchen springen.“
Eigentlich sollte in diesem Jahr das linke Urgestein Jürgen Trittin bei den Grünen auch gar nicht mehr an den Sondierungen teilnehmen. Doch dann hatte Pateichefin Katrin Göring-Eckhardt öffentlich erklärt, dass Jürgen Trittin keine große Rolle mehr spiele. Zum Ärger der Parteilinken, die postwendend darauf drangen, dass Trittin an Bord bleibt. Bei der FDP geht es zurückhaltender zu. Erst einmal will Lindner alleine sondieren, vielleicht zusammen mit
Vize Wolfgang Kubicki und Generalsekretärin Nicola Beer.
Fest steht: Wolfgang Schäubles Umbesetzung auf den Posten des Bundestagspräsidenten war die erste Personalie von Jamaika. Er musste als Finanzminister seinen Platz räumen, damit Merkels Verhandlungsmasse größer wird. Ansonsten aber heißt es aus allen Parteizentralen: „Personalien stehen bei allen Verhandlungen ganz am Schluss.
Hüter des Rechts
Doch so ganz stimmt das nicht. Denn der zweite Posten, der schon länger auf dem Markt ist, ist der von Innenminister Thomas die Maizière. Der CDU-Politiker ist zum einen ohne echten Erfolg geblieben, zum anderen hat CSU-Chef Horst Seehofer von Anfang an angekündigt, dass er seinen Innenminister Joachim Herrmann nach Berlin schicken will, als Hüter von Recht und Ordnung. Horst Seehofer hat in der letzten Legislaturperiode gemerkt, dass sein Drängen auf möglichst viele Ministerien (Verkehr, Entwicklungshilfe, Landwirtschaft) nicht die Kraft eines Kernministeriums aufwiegt. Deshalb hat er Verkehrsminister Alexander Dobrindt schon aus dem Rennen genommen und zum CSU-Landesgruppenchef gemacht.
Bislang gibt es 14 Ministerien; die CDU hält für denkbar, dass jeder der kleineren Partner drei Ministerien besetzt und sie selbst fünf. Die FDP hat schmerzlich festgestellt, dass das von ihr traditionell besetzte Außenministerium zwar Glanz und Beliebtheit einbringt, nicht unbedingt aber Gewicht, und will deshalb auf dem Wirtschafts- oder dem Finanzministerium bestehen.
Als möglicher Außenminister schien sich in den letzten Monaten der Grüne Cem Özdemir warmzulaufen, mit klaren Worten und diplomatischem Geschick. Dass die Grünen in einer Jamaika-Koalition wohl den Umweltminister stellen werden, scheint klar zu sein. Hier fallen natürlich Namen wie der von Robert Habeck, der Umweltminister und grüne Hoffnungsträger aus Schleswig-Holstein. Grüne interessieren sich aber traditionell auch für das Landwirtschaftschaftsministerium, das derzeit von der CSU geführt wird. Denkbar ist, dass Ministerien neu zugeschnitten werden. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat schon angekündigt, dass er auch ein Minister für den ländlichen Raum sein will, Renate Künast etwa hat ein eigenes Verbraucherschutzministerium gefordert.
Von der FDP gilt neben Parteichef Christian Lindner, der aber dem Vernehmen nach FDPFraktionschef bleiben will, auch Alexander Graf Lambsdorff als höchst ministrabel. Der Neffe des alten Grafen Otto wäre für Wirtschaft und Finanzen, aber auch für Entwicklung denkbar.
Für Verkehr wiederum dürften sich die Grünen sehr interessieren, doch auch die FDP hat, vor allem wenn es mit Infrastruktur und digitalem Ausbau verbunden bleibt, ein Auge darauf. Vorstellbar ist aber auch, dass ein eigenes Digitalministerium eingerichtet wird, wie es Merkel schon einmal angedeutet hat. Auch Bildung ist ein Ministerium, auf das die Liberalen gerne schielen.
Die CDU wird in einem Viererbündnis kaum alle Minister retten können. Mit besonderer Spannung wird auch auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geschaut. Nicht noch einmal aus der Hand nehmen lassen will sich die CDU das Familienressort, das bisher die SPD hatte. Die CDU sieht es als ihr Kerngebiet und will hier auch neue Akzente setzen.