Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Grenzfall in der Riedstraße
Technischer Ausschuss entscheidet gegen die Planung zweier Mehrfamilienhäuser
TETTNANG - Zu einer Diskussion um die Frage, wie stark und auf welche Art die Wohnbebauung in Tettnang verdichtet werden soll, ist am Mittwoch die Beratung einer Bauvoranfrage im Technischen Ausschuss geworden. Darin geht es um den Abriss zweier Bestandsgebäude in der Riedstraße. Der Bauherr möchte dort an der Südwestseite ein Fünf- sowie ein Dreifamilienwohnhaus bauen. Der Technische Ausschuss lehnte die Planung nach ausgiebiger Beratung ab.
Für den fraglichen Bereich gibt es einen einfachen Bebauungsplan „Baulinienplan Riedstraße West“von 1965. Darin sind lediglich die Baulinie und eine Bauverbotszone festgesetzt. Die Diskussion entzündete sich aber unter anderem an der Frage, ob das Gebäude nach Paragraph 34 Baugesetzbuch zulässig ist. Darin geht es im Kern darum, ob bestimmte Höhen eingehalten werden und ob sich das Gebäude in die nähere Umgebung einfügt.
Dies sei nicht gegeben, heißt es in der Stellungnahme des Fachbereichs Stadtplanung: Obgleich aus stadtplanerischen Gründen im Zuge der Nachverdichtung zu begrüßen, wirkten die beiden Mehrfamilienhäuser mit Flachdächern in dieser Umgebung „sehr massiv“. Die sonst eher lockere Bebauung der Riedstraße werde unterbrochen.
Beide geplanten Gebäude sind Flachdachgebäude, die dreigeschossig sein sollen. Über zwei Vollgeschossen ist das Dachgeschoss als zurückgesetztes Staffelgeschoss geplant. Baurechtlich sei es als Vollgeschoss anzusehen, heißt es im Tischdokument. Stadtplanerin Bettina Gerlach bezeichnete das Vorhaben als „Grenzfall“des Paragraphen 34 und empfahl dem Gremium die Ablehnung mit der Möglichkeit, angepasste Unterlagen erneut zur Prüfung vorzulegen.
Bär: Bebauungsplan aufstellen
Hansjörg Bär (FW) sagte, das Bauvorhaben sei „sehr grenzgängig“. Über kurz oder lang werde es in Zukunft aber mehrere solcher Ansinnen geben: „Die Stadt Tettnang verliert das Gesetz des Handelns.“Er machte den Vorschlag, einen Bebauungsplan für das Gebiet aufzustellen. Alles nach Paragraph 34 zu machen, sei der falsche Weg. Auf Dauer müsse der Gemeinderat mitsprechen können.
Sylvia Zwisler (CDU) sagte, niemand wolle einen Bau generell verhindern. Sie verwies auf die Dauer, einen solchen Plan zu erstellen und sagte, man müsse stattdessen „so abwägen, dass etwas entwickelt werden kann“. Eine Linie in das Ganze bringen wollten alle, meinte sie, aber ein Bebauungsplan bedeute mindestens ein Jahr des Stillstandes.
Gerhard Brugger (FDP) sagte, mit einem gescheiten Bebauungsplan gebe es diese Besprechung nicht. Er schlug vor, bei einer Ablehnung einen rechtskräftigen Bebauungsplan zu entwickeln. dann könne man bei Vorhaben ja durchaus über Befreiungen abstimmen.
Karl Welte (FW) verwies darauf, dass ja ein Ziel sei, die Innenstadt stärker zu bebauen und Lücken voll zu machen: „Wir können immer sagen, es ist zu groß, es passt nicht.“
Andrea Rehm (Grüne) sagte, man könne das Gebäude mit wenigen Maßnahmen „verträglich machen“, indem man das obere Geschoss etwas nach hinten rücke. So sei es in der Wahrnehmung von der Straße aus nicht mehr so hoch. Ein Bebauungsplan könne nach hinten los gehen. Sie schlug eine Variante vor, das Gebäude abzulehnen, aber die dritte Planungsrunde direkt darin zu verankern.
Diese Möglichkeit der Modifizierung gebe es auch bei einer Ablehnung, sagte Bürgermeister Bruno Walter. Der Bauherr habe drei Möglichkeiten: Das Projekt ad acta zu legen, weiterzuplanen oder „gegen die Stadt zu gehen“, sprich: den Rechtsweg zu beschreiten.
Er verwies auf die Vorgeschichte des Projekts. Schon einmal sei eine Planung wegen dieser Punkte zurückgezogen worden, eine große Veränderung sei auch im neuen Anlauf nicht da. Das Projekt könne zu einem Präzedenzfall für die ganze Häuserreihe werden. Laut Verwaltung füge es sich nicht ein, aber es handle sich um einen Grenzbereich, bei dem der Technische Ausschuss entscheiden müsse.
Der lehnte die Planung bei drei Enthaltungen ab, nachdem die Räte gegen den Vorschlag gestimmt hatten, die Ablehnung der Planung mit der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans zu verbinden.