Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kriminologe hält Erpresser für machtbesessen
Christian Pfeiffer geht davon aus, dass der Täter die bundesweite Aufregung genießt
RAVENSBURG - Der Erpresser vom Bodensee ist nach Einschätzung des Kriminologen Christian Pfeiffer psychisch gestört. Er vermutet, dass der Täter sich an der Macht über andere berauscht. Einen gravierenden Fehler habe der Erpresser allerdings bereits gemacht.
Dass der Täter nicht nur droht, sondern auch tatsächlich Lebensmittel vergiftet hat, ist Pfeiffers Meinung nach ein Zeichen für übersteigerten Geltungsdrang: „Das zeigt, dass er ein großes Bedürfnis danach hat, eine ganz große Show abzuziehen.“Solche Täter seien meist gescheiterte Existenzen, die wahnsinnig unter ihrer Ohnmacht litten und darunter, dass sie ihr Leben nicht auf die Reihe brächten. „Sie haben die große Gier, einmal im Mittelpunkt zu stehen“, sagt der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Dass der Erpresser ausgerechnet Babynahrung vergiftet habe, erklärt der 73-Jährige so: „Das ist der größte Tabubruch, das zielt auf die größten Ängste ab.“
Der Täter habe sich allerdings nicht vorgestellt, dass jetzt überall mit Bildern nach ihm gefahndet wird und sein Gesicht bekannt ist. Daraus schließt Pfeiffer, dass der Täter nicht besonders klug ist. „Sonst hätte er andere Lösungen gefunden.“Der Erpresser gehöre möglicherweise zu dem Typus Verbrecher, „dem es reicht, abends vor dem Fernseher zu sitzen und zu sehen, dass er die große Aufregung ausgelöst hat, dass er ‚die Puppen tanzen‘ lässt“. Pfeiffer: „Solche Menschen wollen sagen können: ‚Das bin ich‘ und damit bei ihren Kumpels prahlen.“Das „Berauschen an der Macht“sei Sinn und Zweck der Tat. Es gebe zwar auch Fälle, in denen die Täter glauben, auf diese Art tatsächlich an Geld kommen zu können. Doch wohl nicht in diesem Fall, wie Pfeiffer ausführt: „Allein, dass er die Forderung so hochgeschraubt hat, wirkt wie eine Show. Seit dem Fall Dagobert ist es niemandem mehr gelungen, so viel Geld zu erpressen.“Und es werde auch niemandem mehr gelingen: „Die Polizei ist einfach zu gut. Wir blicken nur auf reihenweise Verurteilungen zurück.“An den Taten der erfolglosen Erpresser sei niemand gestorben. In diesem Fall sei das Risiko aber sehr hoch. „Der Typ ist hochgefährlich.“
Erschwert werde die Suche dadurch, dass es sich um einen Einzelgänger handeln könnte. „Es wäre möglich, dass er in einem Wohnwagen oder sonstwie übernachtet.“Zudem könne es sein, dass er aus der Schweiz oder aus Österreich komme und es in Süddeutschland so keine Nachbarn gebe, die ihn erkennen. „Er muss sich ja etwas dabei gedacht haben, an den Bodensee zu gehen“, mutmaßt Pfeiffer. Er ist sich sicher: „Die Polizei wird ihn kriegen. Mit dem Machtrausch ist es vorbei.“