Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Forscher aus Langenargen entschlüsseln Grundelinvasion
Unbekannte Besiedlungsstrategie der Eindringlinge im Rhein aufgedeckt – Fischereiforschungsstelle mit im Boot
LANGENARGEN (sz) - Seit einigen Jahren breiten sich Schwarzmeergrundeln im Rhein explosionsartig aus. Diese kleinen, am Boden lebenden Fische sind wohl als „blinde Passagiere“im Ballastwasser der Transportschiffe aus dem Schwarzen Meer über den Rhein-Main-Donaukanal in die Region gelangt. Zwei Wissenschaftler der Fischereiforschungsstelle in Langenargen haben einer Pressemitteilung zufolge festgestellt, dass sich die Grundeln zu großen Schwärmen zusammentun.
In vielen Rheinabschnitten seien die Grundeln nun die dominierende Fischart, und es werde befürchtet, dass die heimischen Arten unter dieser Invasion leiden. Unklar sei dabei gewesen, wie die Grundeln es schaffen, lange Flussabschnitte innerhalb kürzester Zeit zu bevölkern und dominierende Art zu werden, heißt es in der Mitteilung. Um mehr Licht ins Dunkel der Invasion zu bringen, untersuchten Jan Baer und Alexander Brinker, zwei Wissenschaftler von der Fischereiforschungsstelle des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg (LAZBW), sowie ihr Kollege Frank Hartmann von der Fischereibehörde des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das Wanderverhalten der Schwarzmeergrundeln im Rhein.
Dazu analysierten sie eine stundenscharfe Zählung, die die im Kühlwasser des Atomkraftwerks Philippsburg zwischen 2011 und 2014 auftauchenden Grundeln (mehr als 115 000 Exemplare) täglich erfasste. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich die Grundeln nur an wenigen Tagen im Jahr innerhalb weniger Stunden zu großen Schwärmen zusammenfinden und aktiv wandern, teilt die Forschungsstelle in Langenargen mit. Die Ergebnisse dieser Studie seien aktuell in der Fachzeitschrift „PLOS one“veröffentlicht und einem breiten Fachpublikum bekannt gemacht worden.
Überfallartige Einnahme
Die Fachleute kommentieren das Verhalten der Grundeln wie folgt: „Bisher ging man davon aus, dass entweder einige Grundeln in ein neues Territorium vordringen und sich dort vermehren oder aber abdriftende Grundellarven neue Gewässerbereiche besiedeln. Wir können nun diesen Erklärungsansätzen eine dritte, vermutlich äußerst effektive Strategie hinzufügen: den Zusammenschluss zu einem großen Wanderschwarm.“Dies ermögliche den Grundeln, durch die Unmittelbarkeit und schiere Überzahl binnen weniger Stunden ein Territorium überfallartig einzunehmen. Ein solches Verhaltensmuster könne auch den schnellen Siegeszug der Grundeln im Rhein erklären.
Im Detail zeige die Studie außerdem, dass die Wanderungen der Grundeln verstärkt bei steigenden Wassertemperaturen im Sommer und zumeist in der Nacht erfolgten. In der Konsequenz hätten die Grundeln bereits eine heimische Grundfischart, die Groppe, im Rhein verdrängt. Auch weitere negative Auswirkungen auf die heimische Fischfauna, wie eine gestiegene Konkurrenz um Nahrung, seien wahrscheinlich. Positives konnten die Forscher der Grundelinvasion laut Pressemitteilung ebenfalls abgewinnen: „Die Grundeln ernähren sich auch von den bisher ungenutzten ebenfalls im Rhein eingeschleppten Muscheln. Da die heimischen Raubfische Grundeln fressen, gelangen so immerhin Nährstoffe, die in den Muscheln gebunden wären, in das Nahrungsnetz zurück.“