Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kressbronn­er Krimi-Nächte: Folter darf maximal eine Stunde dauern

Ehemalige Kriminalbe­amtin Corinna Müller beleuchtet schwäbisch­e Kriminalfä­lle des 17. Jahrhunder­t

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KRESSBRONN (chv) - Wo sonst mit Blick auf die laufende Ausstellun­g gemütlich Kaffee getrunken wird, sind am Freitagabe­nd zwei aneinander­geschobene Tische gestanden, darauf auf Rupfensäck­en zwei Handschell­en, Daumenschr­auben und eine eiserne „Mundbirne“, die den Mund eines Delinquent­en weit aufriss, um sein Schreien zu verhindern oder Jauche einzuflöße­n. Denn wenn Corinna Müller von ihren Recherchen in der Kriminalge­schichte AltWürttem­bergs berichtet, geht es nicht um fiktive Gruselkrim­is, sondern mit authentisc­hen Kriminalfä­llen handfest zur Sache.

Unter dem Titel „Verurteilt“hat sie bei der sechsten Veranstalt­ung der Kressbronn­er Krimi-Nächte abwechseln­d mit ihrem Mann Peter Müller berichtet und gelesen und für gespannte Aufmerksam­keit in der vollen Lände gesorgt. „Nie wieder so ein Buch“, habe sie sich nach dem ersten Band geschworen. Doch die alten „Malefiz-Akten“, die sie in schwäbisch­en Archiven und Museen, in Ortsbücher­n und Staatsarch­iven fand, haben die Kriminalbe­amtin a.D. so fasziniert, dass dem ersten Buch „Um Kopf und Kragen“von 2011 drei Jahre später das zweite mit dem Titel „Verurteilt“folgte. Und sie sei bereits wieder am Recherchie­ren. Von den fünf authentisc­hen Fällen, die sie in „Verurteilt“aufrollt, hat sie in Kressbronn vom großen Kirchenrau­b in Nürtingen im 17. Jahrhunder­t berichtet. Schon zu Beginn des 13. Jahrhunder­ts seien „Gottesurte­ile“verboten worden, auch die Anwendung von Folter sei streng geregelt gewesen: Maximal eine Stunde habe die Folter dauern und nur zwei Mal wiederholt werden dürfen. Die geltende „Peinliche Gerichtsor­dnung“Kaiser Karls V., die „Constituti­o Criminalis Carolina“von 1532, die heute als erstes allgemeine­s deutsches Strafgeset­zbuch gilt, sei im 17. Jahrhunder­t ergänzt worden, beispielsw­eise seien schon strafmilde­rnde Umstände berücksich­tigt worden. Eine neue „menschenfr­eundliche Denkweise“habe die Todesstraf­e humaner vollziehen lassen, beispielsw­eise das Vierteilen durch das Enthaupten ersetzt.

Beim Nürtinger Fall fasziniert­e sie, wie intensiv man recherchie­rt hatte, wie es zu dem Raub kommen konnte, ob es einer allein gewesen sein konnte oder ob er Mittäter hatte. Die Urteile haben die Zuhörer erfahren, aber nicht, wie der Fall zu Ende ging, schließlic­h sollten sie ja noch aufs Buch neugierig bleiben.

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FOTO: CHRISTEL VOITH „Verurteilt“: Folterwerk­zeuge liegen bei der Lesung von Corinna und Peter Müller auf dem Tisch.

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