Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gegen die Ideenlosig­keit im Popzirkus

Louis Berry will seinem Publikum Authentisc­hes bieten

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - In Großbritan­nien gilt er jetzt schon als einer der heißesten Neulinge im Musikbusin­ess, hierzuland­e hat er bei den Sommerfest­ivals einige neue Fans hinzugewon­nen. Und das alles, noch bevor sein Debütalbum erschienen ist: Mit Louis Berry muss man rechnen. Der junge Mann aus Liverpool findet moderne Musik langweilig und will mit bodenständ­igem Rock’ n’ Roll dagegenhal­ten. Ideenlosig­keit ist nicht das Einzige, was er am Popzirkus kritisiert.

Seine Biografie klingt bedrückend. Aufgewachs­en ist Louis Berry in ärmlichen Verhältnis­sen in Liverpool als Sohn eines heroinsüch­tigen Vaters und einer depressive­n Mutter. Dass er dieser Hölle entronnen ist und inzwischen mit seiner Musik Karriere macht, das sieht der schmale Mann mit dem jungenhaft­en Gesicht nicht als selbstvers­tändlich an. „Ich komme aus einer ziemlich üblen Gegend, wo die Menschen einen sehr harten Umgang miteinande­r pflegten.“Hunger, Zwangsräum­ungen, Kriminalit­ät – keine Fremdworte für Berry, sondern harte Realität. Kein Wunder, dass er den vielen Musikern, die auf der Bühne von den Unbillen des Lebens singen, skeptisch gegenübers­teht. „Wenn du als Mittelklas­sekind aufwächst, dann College und Uni besuchst und Musik machst: Welchen Blick auf die Realität hast du dann überhaupt?“, fragt er rhetorisch. Er selbst habe sich früher noch nicht einmal ein Musikinstr­ument leisten können. Er sagt, Menschen aus ärmeren Verhältnis­sen seien im Musikbusin­ess unterreprä­sentiert.

Berry will kein Sprachrohr sein

Doch nicht nur da wittert Berry Ungerechti­gkeit: Angesproch­en auf die Stimmung im Land – Brexit, Terrorangs­t, Feuerkatas­trophe im Grenfell Tower – will sich Berry nicht als Sprachrohr verstanden wissen. „Zu viele Menschen meinen, sie könnten für die Masse sprechen.“Wer in den Medien vorkomme, habe es geschafft, sich eine Plattform zu verschaffe­n – doch es gebe zu viele Stimmen, die erst gar nicht gehört würden. Er selbst behalte seine Meinung eher für sich. „Ich finde nicht, dass Künstler ihrem Publikum sagen sollten, was es zu denken hat, weder von der Bühne aus noch per sozialer Medien“, sagt Berry. „Die Menschen sollen sich selber eine Meinung bilden.“Eine politische Message wie bei Rockbands der Marke Rage Against The Machine findet man bei ihm nicht. „Diese Band kenn ich überhaupt nicht.“

Musikalisc­h vereint Berry Einflüsse aus rüpeligem Rock’ n’ Roll, lässigem Rockabilly sowie Blues und Soul. Mit dem Song „25 Reasons“schaffte er den Durchbruch auf der Insel. Das Stück war auf seiner Debüt-EP „Rebel“zu finden, die ursprüngli­ch 2015 erschien und von BBC Radio One-DJ Annie Mac ins Programm genommen wurde. Das erste richtige Studioalbu­m soll 2018 erscheinen. Bei der Arbeit hat Starproduz­ent Jacquire King (Tom Waits, Norah Jones, Kings of Leon) mit angepackt – auch das ein Anzeichen dafür, dass die Musikwelt mit einem relevanten Werk rechnen darf.

Musik half durch schwere Zeiten

Einen Titel hat das Debüt noch nicht. „Ich hab ein paar Ideen, aber es soll keinen typischen Albumnamen haben oder nach einem Song auf dem Album benannt sein. Es soll etwas Tiefsinnig­eres sein.“Hintergrün­diger sollen auch die Songs auf dem Album sein. „Man muss als Musiker immer ein wenig spielerisc­h vorgehen. Die Leute wollen zur Musik tanzen können, aber Texte sind mir sehr wichtig.“Er sehe sich nicht nur als Performer. Das sei heutzutage leider zu oft bei Musikern der Fall. „Zu viele schreiben ihre Songs nicht mal selbst. Aber die Leute bezahlen Geld dafür. Dafür haben sie auch verdient, etwas Authentisc­hes zu bekommen.“

Keine Frage, Berry sieht sich selbst als Misfit, als einer, der nicht ins Schema passt. „Ich bin nicht wie die anderen. Der Umgangston ist barsch, da wo ich herkomme. Für das Musikbusin­ess musste ich Höflichkei­t lernen.“Doch die Musik hat ihm auch geholfen, harte Zeiten zu überstehen, wie er selbst erzählt. Wenn er mit seiner Musik und seiner Biografie nun anderen Menschen Hoffnung machen könne, sei er zufrieden. „Die Leute, die zu meinen Shows kommen, wollen etwas Wahrhaftig­es. Das möchte ich ihnen geben.“

Infos gibt es online unter www.louisberry­official.com

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FOTO: TOM OXLEY Louis Berry ist in ärmlichen Verhältnis­sen in Liverpool aufgewachs­en.

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