Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gegen die Ideenlosigkeit im Popzirkus
Louis Berry will seinem Publikum Authentisches bieten
RAVENSBURG - In Großbritannien gilt er jetzt schon als einer der heißesten Neulinge im Musikbusiness, hierzulande hat er bei den Sommerfestivals einige neue Fans hinzugewonnen. Und das alles, noch bevor sein Debütalbum erschienen ist: Mit Louis Berry muss man rechnen. Der junge Mann aus Liverpool findet moderne Musik langweilig und will mit bodenständigem Rock’ n’ Roll dagegenhalten. Ideenlosigkeit ist nicht das Einzige, was er am Popzirkus kritisiert.
Seine Biografie klingt bedrückend. Aufgewachsen ist Louis Berry in ärmlichen Verhältnissen in Liverpool als Sohn eines heroinsüchtigen Vaters und einer depressiven Mutter. Dass er dieser Hölle entronnen ist und inzwischen mit seiner Musik Karriere macht, das sieht der schmale Mann mit dem jungenhaften Gesicht nicht als selbstverständlich an. „Ich komme aus einer ziemlich üblen Gegend, wo die Menschen einen sehr harten Umgang miteinander pflegten.“Hunger, Zwangsräumungen, Kriminalität – keine Fremdworte für Berry, sondern harte Realität. Kein Wunder, dass er den vielen Musikern, die auf der Bühne von den Unbillen des Lebens singen, skeptisch gegenübersteht. „Wenn du als Mittelklassekind aufwächst, dann College und Uni besuchst und Musik machst: Welchen Blick auf die Realität hast du dann überhaupt?“, fragt er rhetorisch. Er selbst habe sich früher noch nicht einmal ein Musikinstrument leisten können. Er sagt, Menschen aus ärmeren Verhältnissen seien im Musikbusiness unterrepräsentiert.
Berry will kein Sprachrohr sein
Doch nicht nur da wittert Berry Ungerechtigkeit: Angesprochen auf die Stimmung im Land – Brexit, Terrorangst, Feuerkatastrophe im Grenfell Tower – will sich Berry nicht als Sprachrohr verstanden wissen. „Zu viele Menschen meinen, sie könnten für die Masse sprechen.“Wer in den Medien vorkomme, habe es geschafft, sich eine Plattform zu verschaffen – doch es gebe zu viele Stimmen, die erst gar nicht gehört würden. Er selbst behalte seine Meinung eher für sich. „Ich finde nicht, dass Künstler ihrem Publikum sagen sollten, was es zu denken hat, weder von der Bühne aus noch per sozialer Medien“, sagt Berry. „Die Menschen sollen sich selber eine Meinung bilden.“Eine politische Message wie bei Rockbands der Marke Rage Against The Machine findet man bei ihm nicht. „Diese Band kenn ich überhaupt nicht.“
Musikalisch vereint Berry Einflüsse aus rüpeligem Rock’ n’ Roll, lässigem Rockabilly sowie Blues und Soul. Mit dem Song „25 Reasons“schaffte er den Durchbruch auf der Insel. Das Stück war auf seiner Debüt-EP „Rebel“zu finden, die ursprünglich 2015 erschien und von BBC Radio One-DJ Annie Mac ins Programm genommen wurde. Das erste richtige Studioalbum soll 2018 erscheinen. Bei der Arbeit hat Starproduzent Jacquire King (Tom Waits, Norah Jones, Kings of Leon) mit angepackt – auch das ein Anzeichen dafür, dass die Musikwelt mit einem relevanten Werk rechnen darf.
Musik half durch schwere Zeiten
Einen Titel hat das Debüt noch nicht. „Ich hab ein paar Ideen, aber es soll keinen typischen Albumnamen haben oder nach einem Song auf dem Album benannt sein. Es soll etwas Tiefsinnigeres sein.“Hintergründiger sollen auch die Songs auf dem Album sein. „Man muss als Musiker immer ein wenig spielerisch vorgehen. Die Leute wollen zur Musik tanzen können, aber Texte sind mir sehr wichtig.“Er sehe sich nicht nur als Performer. Das sei heutzutage leider zu oft bei Musikern der Fall. „Zu viele schreiben ihre Songs nicht mal selbst. Aber die Leute bezahlen Geld dafür. Dafür haben sie auch verdient, etwas Authentisches zu bekommen.“
Keine Frage, Berry sieht sich selbst als Misfit, als einer, der nicht ins Schema passt. „Ich bin nicht wie die anderen. Der Umgangston ist barsch, da wo ich herkomme. Für das Musikbusiness musste ich Höflichkeit lernen.“Doch die Musik hat ihm auch geholfen, harte Zeiten zu überstehen, wie er selbst erzählt. Wenn er mit seiner Musik und seiner Biografie nun anderen Menschen Hoffnung machen könne, sei er zufrieden. „Die Leute, die zu meinen Shows kommen, wollen etwas Wahrhaftiges. Das möchte ich ihnen geben.“
Infos gibt es online unter www.louisberryofficial.com